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Die Fluesse von London - Roman

Die Fluesse von London - Roman

Titel: Die Fluesse von London - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ben Aaronovitch
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In den letzten Monaten habe ich dich immer weniger als Feind gesehen, eher als eine Art Pausenclown, einen etwas beschränkten Charakter, der für eine komischeAblenkung sorgt, während sich die richtigen Schauspieler umziehen.«
    »Wie ich sehe, ist Charles Macklin nicht aufgetaucht«, sagte ich.
    Punchs Nase zuckte. »Spielt keine Rolle. Dieser gichtige alte Bastard kann sich nicht ewig verstecken.«
    »Und in der Zwischenzeit tun wir   – was?«
    »Wir spielen unsere Rolle weiter«, sagte Lesley. »Wir sind Mr.   Punch, der unverwüstliche Geist des Aufruhrs und der Rebellion. Es liegt in unserer Natur, Probleme zu verursachen, genau wie es in deiner Natur liegt, zu versuchen, uns aufzuhalten und davon abzubringen.«
    »Du bringst dabei Menschen um«, sagte ich.
    »Ach ja, bedauerlicherweise«, sagte Lesley. »Nun, jede Kunst verlangt eben ihre Opfer. Und glaub mir, denn ich muss es wissen: Der Tod ist eher langweilig als tragisch.«
    Mir wurde plötzlich klar, dass ich mich nicht mit einer vollständigen Persönlichkeit unterhielt. Ihr Akzent hüpfte zwischen den Epochen hin und her, in ihrer Motivation und ihrem Verhalten zeigten sich bizarre Kehrtwendungen. Das war nicht Henry Pyke, es war nicht einmal Mr.   Punch, es war wie ein Flickenteppich, eine aus Bruchstücken von Erinnerungen zusammengeschusterte Persönlichkeit. Vielleicht waren alle Geister so, wie Muster verschiedener Erinnerungen, die im Gewebe der Stadt gespeichert waren, wo sich die älteren Schichten langsam abnutzten, während immer neue Generationen von Londonern ihre eigenen Lebensmuster darauf ablegten.
    »Du hörst mir nicht zu«, quäkte Lesley. »Da nehme ich mir, obwohl ich sehr beschäftigt bin, die Zeit, mich vor dir zu brüsten, und du träumst vor dich hin!«
    »Sagen Sie, Henry«, sagte ich, »wie hießen Ihre Eltern?«
    »Na, Mister und Mistress Pyke natürlich.«
    »Und ihre Vornamen?«
    Lesley lachte. »Du versuchst mich zu foppen. Sie hießen natürlich Vater und Mutter.«
    Ich hatte also recht   – Henry Pyke, oder zumindest der Teil von ihm, der sich in Lesleys Kopf eingenistet hatte, war buchstäblich nicht ganz da.
    »Dann erzählen Sie mir doch mal alles Gute, das Ihnen einfällt   – über Ihre Mutter«, sagte ich.
    Lesley legte den Kopf schief. »Du hältst mich wohl für einen Narren.« Sie gestikulierte zu den Sängern, die unseren Austausch regungslos verfolgten. »Weißt du, was die
Times
über diese Inszenierung schrieb?«
    »Düster, trostlos, sinnlos«, antwortete ich und stand auf. Wenn Lesley einen Monolog halten wollte, konnte ich wenigstens die Gelegenheit nutzen, wieder auf die Beine zu kommen.
    »Kommt der Sache ziemlich nahe«, sagte sie. »Der Opernkritiker der
Times
schrieb wörtlich, ›die Aufführung hat den Tiefgang einer T V-Seifenoper ‹.«
    »Ganz schön brutal«, sagte ich.
    Ich hatte keine Betäubungsspritzen mehr, aber der Erste-Hilfe-Kasten lag noch in den Kulissen. Ein Schlag auf den Hinterkopf mit dem schweren Koffer würde Lesley wohl ausschalten. Aber dann   – was?
    Lesley legte den Kopf auf die andere Seite, ohne mich aus den Augen zu lassen. »Oh, seht doch, Jungs«, sagte sie zu den Sängern. »Das hier ist der Opernkritiker der
Times

     
    Ich überlegte flüchtig, ob ich ihnen erklären sollte, dass ich die
Times
nicht mal las, aber ich glaubte nicht, dass sie das interessiert hätte. Also rannte ich los zum nächsten Notausgang, aufgrund der Überlegung, dass dieser, per definitionem, der schnellste Weg nach draußen sein musste und, per Gesetz, immer unverschlossen. Außerdem hingen die Notausgangszeichen an einem separaten Stromkreis und stellten daher die einzige noch funktionierende Lichtquelle dar.
    Ich holte einen Vorsprung von drei Metern vor den Sängern heraus, als ich durch den Flugzeughangar raste, der sich hinter der Hauptbühne erstreckte, und bremste auch nicht ab, als ich durch die erste Tür stürmte, was mir eine Rippenprellung, aber mindestens einen weiteren Meter Vorsprung einbrachte. Meine Augen hatten sich zwar inzwischen an die Dunkelheit angepasst, aber trotz des nächsten Notausgangszeichens direkt vor mir war es so dunkel, dass ich über einen schlampig geparkten Handwagen stürzte. Ich ging zu Boden und hielt mir das schmerzende Schienbein, während sich ein Teil meines Verstands mit der absurden Überlegung befasste, dass ein Hindernis dieser Art ganz bestimmt einen Verstoß gegen die Sicherheitsbestimmungen des Opernhauses darstellte.
    Eine

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