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Die Fluesse von London - Roman

Die Fluesse von London - Roman

Titel: Die Fluesse von London - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ben Aaronovitch
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verdammt«-Ausdruck auf seinem Gesicht erschien, und dann veränderte sich das Gesicht und wurde zu der lächerlichen Viertelmondkarikatur, die ich inzwischen unter dem Namen Mr.   Punch kannte, Geist des Aufruhrs und der Rebellion.
    »Weißt du«, quäkte er, »du bist nicht halb so blöd, wie du aussiehst.«
    Die Standardrichtlinie für den Umgang mit Irren besagt klipp und klar: Bringe sie dazu weiterzureden, schiebe dich währenddessen näher an sie heran und packe sie, wenn sie gerade nicht herschauen.
    »Du also warst das, der sich als Nicholas Wallpenny ausgegeben hat?«
    »Nein«, antwortete Mr.   Punch. »Das ganze Täuschungsmanöver hat Henry Pyke für mich arrangiert, der arme Tropf lebt doch nur dafür, schauspielern zu dürfen, es ist alles, was er im Leben wollte.«
    »Nur ist er tot«, sagte ich.
    »Weiß ich«, sagte Mr.   Punch. »Ist das Universum nicht wunderbar?«
    »Wo ist Henry jetzt?«
    »Er sitzt im Kopf deiner Freundin, um ihr Gehirn fleischlich zu erkennen, sozusagen.« Mr.   Punch warf den Kopf zurück und kreischte vor Lachen. Ich sprang ihn an, aber der schlüpfrige Bastard wirbelte herum und rannte in eine der schmalen Gassen, die in die Drury Lane mündeten.
    Ich rannte ihm hinterher. Ich kann nicht mit Sicherheit sagen, ob mich in diesem Moment der Geist jedes einzelnen Londoner Ordnungshüters stärkte und anspornte, aber immerhin stammen wir alle aus der Bow Street, undeins steht fest: Eher hätte ich zu atmen aufgehört, als diesen Burschen nicht zu verfolgen.
    Ich stürmte hinein in die winterliche Drury Lane. Die Fußgänger waren tief vermummt und zu anonymen Figuren geworden, Dampf stieg von den Pferden und auch von den Sänftenträgern auf. Unter dem Ansturm von Kälte und Schnee roch die Stadt plötzlich so frisch und sauber, dass sie in diesem Zustand vielleicht sogar jeden modrigen Wiedergänger vertreiben konnte. Schon brach der Frühling schnell und ruckartig herein. Mr.   Punch führte mich durch schmutzige Seitenstraßen, die, wie ich wusste, heute nicht mehr existieren, bis wir schließlich an der neu erbauten St. Clements Church vorbeikamen und in die Fleet Street einbogen. Der Große Brand von London ging so schnell vorüber, dass ich ihn kaum wahrnahm, er war nicht mehr als ein Schwall heißer Luft, wie beim Öffnen eines Backofens. Gerade noch wurde der obere Teil der Fleet Street von der mächtigen Kuppel der St. Paul’s Cathedral beherrscht, im nächsten Moment war die Kuppel vom stumpfen normannischen Turm der alten Kathedrale verdrängt worden. Einem Londoner wie mir kam das fast wie Ketzerei vor, oder so, als würde man plötzlich eine völlig fremde Person neben sich im Bett vorfinden. Die Straße selbst war viel schmaler und dicht mit schmalbrüstigen Fachwerkhäusern mit überhängenden oberen Stockwerken bebaut. Wir befanden uns im Zeitalter Shakespeares, und ich muss sagen, dass es nicht mal halb so übel stank wie das 19.   Jahrhundert. Mr.   Punch rannte um sein Geisterleben, aber ich holte allmählich auf.
    Und London schrumpfte. Auf beiden Seiten öffneten sich Lücken in den Häuserreihen. Ich sah grüne Wiesenund Felder mit Heureitern und Kuhherden. Um mich herum wurde alles immer undeutlicher. Vor mir erschien der Fluss Fleet und plötzlich jagte ich die Böschung hinunter, um eine Steinbrücke zu überqueren, während auf der anderen Seite Mauern auftauchten, die alten Stadtmauern von London. Ich schaffte es gerade noch, Ludgate hinter mir zu lassen, bevor das ursprüngliche Tor wieder heranwuchs, das mir den Weg versperrt hätte. Die alte Kathedrale war längst wieder verschwunden, die Angelsachsen hatten wir glatt verpasst, ebenso den ganzen Zeitabschnitt, den progressive Historiker die »subrömische Periode« nennen, also das fünfte und sechste Jahrhundert, und schon war das Heidentum wieder in Mode.
    Wenn ich Zeit zum Nachdenken gehabt hätte, wäre ich vielleicht stehen geblieben und hätte mich gründlich umgeschaut, um später die Historiker mit ein paar Antworten auf ihre Fragen über das Leben in Londinium zu verblüffen. Aber das tat ich natürlich nicht, weil ich inzwischen Mr.   Punch bis auf ein paar Meter auf die Pelle gerückt war, und jetzt mit einem vehementen Rugbyangriff den untoten Schurken zu Boden warf.
    »Mr.   Punch«, sagte ich formell, »Sie sind verhaftet.«
    »Bastard«, fauchte er. »Du verdammter schwarzer irischer Bastard.«
    »Damit machst du dir hier keine Freunde, Punch«, sagte ich. Ich riss ihn

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