Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Fluesse von London - Roman

Die Fluesse von London - Roman

Titel: Die Fluesse von London - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ben Aaronovitch
Vom Netzwerk:
den Blick zu. Als er mich erkannte, breitete sich ein erfreutes Grinsen auf seinem Gesicht aus. »Du musst ein Geschenk der Götter sein«, sagte er.
    »Hilf mir, Vater Themse«, sagte ich.
    Verica nahm einem in der Nähe stehenden Legionär das Pilum aus der Hand   – der Soldat reagierte nicht   – und reichte es mir. Der Wurfspieß roch nach frisch geschnittenem Buchenholz und feuchtem Eisen. Ich wusste, was ich zu tun hatte: Ich drehte den Spieß um und zögerte. Mr.   Punch kreischte auf und bellte in seiner heiseren, schrillen Stimme: »Wäre es nicht schade um die hübsche, hübscheLesley? Wirst du die hübsche kleine Lesley noch mögen, wenn ihr Gesicht herunterfällt?«
    Er ist kein Mensch, sagte ich mir und stieß den Spieß in Mr.   Punchs Brust. Es trat kein Blut aus, aber ich spürte den Schock, als die Spitze durch Haut und Muskeln drang und schließlich in die Holzplanken der Brücke. Der Wiedergänger, der Geist des Aufruhrs und der Rebellion, war auf der Brücke festgenagelt wie ein Schmetterling im Schaukasten.
    Und da behaupten manche Leute, moderne Schulbildung sei reine Zeitverschwendung.
    »Ich habe den Fluss um ein Opfer gebeten«, sagte Tiberius Claudius Verica. »Und ein Opfer wurde uns gegeben.«
    »Ich dachte, die Römer lehnten Menschenopfer ab?«, sagte ich.
    Verica lachte. »Die Römer sind noch nicht angekommen.«
    Ich blickte mich um. Er hatte recht, es gab noch keine Spur von London   – und plötzlich verschwand auch die Brücke unter meinen Füßen. Einen Augenblick lang hing ich wie eine Figur aus einem Zeichentrickfilm in der Luft, dann fiel ich in den Fluss. Die Themse war kalt und frisch wie ein Gebirgsbach.
     
    Ich tauchte auf und fühlte mich grauenhaft nass und klebrig. Blut war auf meiner Brust verschmiert und irgendwann hatte ich in die Hose gemacht, wahrscheinlich als sie mich biss. Ich fühlte mich ausgelaugt, leer und betäubt. Ich wollte mich nur noch zusammenrollen und so tun, als sei nichts mehr wirklich.
    »Das«, sagte ich zu mir selbst, »hat als Instrument historischer Forschung keine Zukunft, so viel steht fest.«
    Jemand würgte, erstaunlicherweise war ich es nicht. Molly kniete nach vorn gekrümmt auf dem Boden, das Gesicht von mir abgewandt und hinter ihrem Haar verborgen, und kotzte Blut auf ihre hübschen sauberen Fliesen. Mein Blut, dachte ich, und rappelte mich mühsam auf die Füße. Mir war schwindelig, aber wenigstens kippte ich nicht um, das war bestimmt ein gutes Zeichen. Ich machte einen Schritt auf Molly zu, um zu sehen, ob ich ihr helfen konnte, aber sie streckte den Arm aus und machte wütende, abwehrende Handbewegungen, bis ich mich zurückzog.
    Dann saß ich wieder auf dem Boden, ohne mich zu erinnern, ob ich das überhaupt gewollt hatte. Mein Atem ging stoßweise, und mein Puls pochte wie rasend   – alles typische Symptome von Blutverlust. Nach einer Weile fand ich, dass es keine schlechte Idee sei, mich noch ein wenig auszuruhen, und streckte mich wieder auf den kühlen Fliesen aus, was auch für die Blutzirkulation im Gehirn besser war. Eigentlich erstaunlich, wie bequem eine harte Fläche sein kann, wenn man nur müde genug ist.
    Ich hörte das Rascheln von Seide und wandte den Kopf. Molly hatte sich von der roten Schleimlache abgewandt und kroch auf mich zu. Ihr Kopf war leicht zur Seite geneigt, und die Lippen waren zurückgezogen und entblößten die Zähne. Ich wollte ihr gerade erklären, dass es mir eigentlich schon wieder viel besser ging und dass sie mir nicht zu helfen brauche, als mir klar wurde, dass sie offenbar genau das Gegenteil im Sinn hatte.
    Mit einer beunruhigend spinnenhaften Bewegung schwang Molly einen Arm über ihren Kopf und ließ die Hand vor ihrem Gesicht auf die Fliesen klatschen. Der Arm spannte sich und zog Mollys Körper ein paar Zentimeter auf mich zu. Ich blickte ihr in die Augen und sah, dass das Weiße völlig verschwunden war: Ihre Augen waren tiefschwarz und voller Hunger und Verzweiflung.
    »Molly«, sagte ich, »ich glaube, das ist gar keine gute Idee.«
    Ihr Kopf rollte auf die andere Seite, und sie stieß ein gurgelndes, zischendes Geräusch aus, irgendwo zwischen Lachen und Schluchzen. Ich setzte mich auf und wurde sofort mit Tunnelblick und Schwindel bestraft. Ich kämpfte gegen den Drang an, mich wieder hinzulegen.
    »Molly«, sagte ich. »Überleg doch mal, was Nightingale sagen wird, wenn er erfährt, dass du mich zum Abendessen verspeist hast.«
    Nightingales Name ließ sie

Weitere Kostenlose Bücher