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Die Fluesse von London - Roman

Die Fluesse von London - Roman

Titel: Die Fluesse von London - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ben Aaronovitch
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Square zurückkehrte. Jetzt hatte ich wieder volle Verfügungsgewalt über das Folly, aber auch die Verantwortung. Toby warf sich gegen meine Schienbeine, kaum dass ich durch die Tür war, japste freudig und wedelte aufgeregt mit dem Schwanz. Als er entdeckte, dass ich ihm nichts Essbares mitgebracht hatte, verlor er schlagartig das Interesse und trollte sich davon. Molly erwartete mich am Fuß der westlichen Treppe. Ich erzählte ihr, dassNightingale bei Bewusstsein war, und log ihr vor, dass er sich erkundigt habe, wie es ihr gehe. Und dann erzählte ich ihr, was ich tun wollte, und sie prallte förmlich zurück.
    »Ich geh nur schnell in mein Zimmer, ein paar Sachen holen«, sagte ich. »Bin in einer halben Stunde wieder unten.«
    In meinem Zimmer holte ich meine Aufzeichnungen aus dem Lateinunterricht hervor und schaute nach, was es mit römischen Namen auf sich hatte. Sie bestanden in der Regel aus drei Teilen   – Vornamen, Namen und Beinamen   – und verrieten einem, soweit man die eigene Handschrift lesen konnte, einiges über die jeweilige Person. Verica war kein römischer Name, ich hielt ihn für britisch, und Tiberius Claudius waren die ersten beiden Namensteile von Tiberius Claudius Caesar Augustus Germanicus, auch bekannt als Kaiser Claudius, der Typ, der den ganzen Laden leitete, als Britannien von den Römern erobert wurde. Das Imperium zog es vor, wenn möglich die lokale Herrschaftselite an sich zu binden   – es war entschieden leichter, ein erobertes Land in den Griff zu kriegen, wenn man erst mal ein bisschen was springen ließ und die Leute bei einem schönen Abendessen einlullte. Ein gern verwendetes Mittel der Bestechung war das römische Bürgerrecht, und viele, die das Angebot annahmen, behielten zwar ihren ursprünglichen einheimischen Namen, setzten ihm aber den Vornamen und Hauptnamen ihres Gönners voran, in diesem Fall den des Imperators. So konnte ich aus seinem Namen ableiten, dass Tiberius Claudius Verica ein britischer Aristokrat gewesen war, der um die Zeit gelebt haben musste, als London gegründet wurde.
    Und das bedeutete   – gar nichts, soweit ich sehen konnte. Wenn ich die nächste Stunde oder so überlebte, würde ich darüber mal ein Wörtchen mit Mama Themse reden müssen. Aber im Moment hatte ich dringendere Probleme.
     
    Im Jahr 1861 trennte sich William Booth von den Methodisten in Liverpool und zog nach London, wo er in der besten großstädtischen Tradition der Selbsterneuerung eine eigene Gemeinde gründete, um den heidnischen Eingeborenen Ostlondons Jesus, Brot und Sozialarbeit zu bescheren. 1878 erklärte er, dass er es satthabe, immer nur als Ehrenamtlicher herumzulaufen, und dass er wahrhaftig ein reguläres Mitglied der Armee Christi sei, und damit war die Heilsarmee geboren. Aber keine Armee, so heilig ihre Motive auch sein mögen, besetzt ein fremdes Land, ohne auf Widerstand zu stoßen, und diesen Widerstand leistete die sogenannte »Skelettarmee«. Ihre Angehörigen wurden von viel Gin und blanker Sturheit angetrieben. Ihrer Meinung nach war es schon schlimm genug, der viktorianischen Arbeiterklasse anzugehören; zu allem Überfluss auch noch die Predigten einer Bande selbstgerechter Nordengländer anhören zu müssen, war einfach zu viel. Und so machte sich die Skelettarmee daran, die Versammlungen und Märsche der Heilsarmee gründlich zu stören und deren Offizierskorps nach Strich und Faden zu verprügeln. Das Emblem der Skelettarmee war ein weißes Skelett vor schwarzem Hintergrund   – das Abzeichen wurde von jedem rechtschaffenen Taugenichts zwischen Worthing und Bethnal Green getragen. Ich hatte es an der geisterhaften Gestalt des Nicholas Wallpennygesehen, und wenn es jemals einen idealen Rekruten für die Skelettarmee gegeben hat, dann war es Nicholas. Ein solches Abzeichen hatte ich dann auch auf dem Friedhof der Schauspielerkirche gefunden. Nightingale hatte gesagt, dass ich einen spirituellen Führer brauchen würde, und da gerade keine mystischen Bären, Kojoten oder dergleichen verfügbar waren, musste ich mich mit einem diebischen Cockneygeist begnügen.
    Das Abzeichen lag noch dort, wo ich es hingetan hatte, nämlich in einer Plastikschachtel mit Briefklammern. Ich legte es auf meine Handfläche. Eigentlich war es ein billiges Ding aus Zinn und Messing. Doch als ich die Hand darum schloss, nahm ich einen flüchtigen Geruch von Gin wahr, hörte alte Lieder und spürte einen Stich von Verbitterung und Wut.
    Da ich eine rein

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