Die Flußpiraten des Mississippi (German Edition)
bei Nacht und Nebel die Stadt und eine ausgebreitete Praxis sowie viele Kranke hinter mir lassen, die über meine Flucht trostlos waren.«
»Die Blausäure wirkt wohl als Gift am stärksten?« sagte Sander, dessen Gedanken immer wieder zu dem einen Ziele zurückkehrten, während er das Fläschchen sinnend in der Hand wog.
»Allerdings, – ist ein fürchterliches Mittel, animalisches Leben zu zerstören«, erwiderte der Doktor und begann sein im Feuer der vorigen Erzählung fast ganz vergessenes Feilen wieder von neuem, »eine Verbindung von Cyane und Wasserstoff, zieht den Tod durch plötzliche allgemeine Lähmung des ganzen Nervensystems nach sich, aber sehr gefahrliche Medizin zugleich. – Nur ein Tröpfchen zuviel angewandt und – ab«, und der kleine Mann sah dabei wieder über seine Brille hinüber und drehte die gegen Sander ausgestreckte flache Hand schnell um. – Es sollte den plötzlichen Tod eines Menschen bildlich darstellen.
»Könnte Ihnen darüber auch zwei wunderbare Geschichten mitteilen; – ich habe nämlich schon zweimal Unglück, wirkliches Unglück mit Blausäure gehabt. Einmal betraf es noch dazu einen ganz guten Freund von mir, tat mir wirklich leid, das andere war nur ein Deutscher; doch man schweigt lieber über solche Sachen. Es kommt nichts dabei heraus, und wenn es nachher weitererzählt wird, machen es die Leute gewöhnlich viel schlimmer, als es eigentlich ist.«
»Und dieses Gift tötet unfehlbar und schnell?« fragte Sander noch einmal.
»Stellen Sie mir um Gottes willen das Glas hin!« rief der Doktor ängstlich und sprang von seinem Sitze auf. »Sie richten wahrhaftig noch etwas an; – das ist fürchterliches Gift und kann in den Händen des Laien zu entsetzlichen Folgen führen.«
Sander sah sich gezwungen, das Fläschchen wieder auf den Kaminsims zu stellen.
»So«, sagte jetzt Monrove, – als er die Säge durch eines seiner Brillengläser genau betrachtete, – »ein Mulattenbein habe ich mir lange gewünscht. – Ich wollte schon einmal Daytons Burschen amputieren; der Squire gab's aber nicht zu, und es war auch vielleicht gut – für den Jungen heißt das; denn die Natur half sich wieder.«
Er trat jetzt zu dem Bewußtlosen hin, legte die Instrumente neben diesen auf einen Stuhl und betrachtete ihn aufmerksam. »Ja, ja«, sagte er endlich, nachdem er den Puls des Verwundeten gefühlt und die Hand auf dessen Stirn gelegt hatte, »er bessert sich, wie ich sehe, da werden wir also doch ans Amputieren gehen müssen.«
»Glauben Sie wirklich, daß er sich wieder erholt?«
»Ja – wahrscheinlich; – er atmet ganz regelmäßig, und der Puls geht auch, allerdings noch fieberhaft, aber doch ruhiger als vorher. – Wäre er mir gestorben, so hätte ich ihn lieber ganz mitgenommen, so aber werde ich ihn nur um ein Bein bitten. Dafür will ich ihm aber den Arm wiederholt ordentlich einrichten, und er wird deshalb seinem künftigen Herrn gewiß nicht weniger, vielleicht noch mehr wert sein. Es ist manchmal recht gut, wenn Neger zwei Arme zum Arbeiten und nur ein Bein zum Weglaufen haben. Alle Wetter, jetzt habe ich aber meine Schienen zu Hause gelassen; ei nun, im Walde kann man sich da schon helfen; – der Hickory wird sich wohl noch schälen, und da hole ich mir ein paar Rindenstreifen. Bitte, Sir, bleiben Sie einen Augenblick bei dem Kranken hier! – Ich gehe nur dort zu den nächsten Bäumen, um mir die passenden Stücke zu holen, – bin gleich wieder da. Aber – habe ich denn gar nichts, womit ich die Streifen abschälen könnte?« Er wandte sich von dem Bette ab, um irgendein Instrument zu suchen, und Sander griff fast konvulsivisch wieder nach dem Giftfläschchen, das er rasch in seiner Hand verbarg.
»Ach – dieser Tomahawk wird gut sein«, rief der kleine Mann, als er die in der Ecke liegende Waffe aufhob und damit zur Tür schritt. »Da drüben steht auch Mr. Cook, den werde ich Ihnen indessen herüberschicken.«
Sander löste rasch das Papier von der Viole ab und zog sein Messer, um die Blase zu durchschneiden; er durfte keinen Augenblick mehr verlieren, der nächste konnte schon entscheidend sein.
»Wasser!« stöhnte da der Mulatte. Es war das erste Wort, das er seit seiner Verwundung sprach. Sander aber zuckte mit wild gemurmeltem Fluch zusammen, denn in dem Moment fast, wo er Verrat für immer unmöglich gemacht hätte, drehte sich der Doktor, der jenen Ausruf vernommen hatte, rasch wieder herum und kam eilenden Schrittes zurück. Auch Cook näherte
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