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Die Flußpiraten des Mississippi (German Edition)

Die Flußpiraten des Mississippi (German Edition)

Titel: Die Flußpiraten des Mississippi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Gerstäcker
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jener Quacksalber, daß sie, nur aus Niederträchtigkeit gegen mich, damit ich nie mehr einen Cent davon zu sehen bekäme, nach und nach alle meine Patienten unter die Erde brachten und auch dann noch obendrein frech behaupteten, sie wären an den Folgen meiner Kuren gestorben.«
    »Doktor, was ist denn hier in dem Fläschchen?« unterbrach ihn da Sander, der augenscheinlich kein Wort von der ganzen Erzählung gehört hatte.
    Der Doktor blickte zu ihm auf, sah einige Sekunden scharf mit der Brille dorthin und rief dann: »Nehmen Sie sich in acht, ziehen Sie den Pfropfen ja nicht heraus; – das ist Arsenik, und das gelbe Gläschen enthält Scheidewasser, das andere Weiße, in der großen Flasche, ist Kalomel.«
    »Und das hier mit dem blauen Papier und der daruntergebundenen Blase?«
    »Ist acidum zooticum oder Blausäure, das gefährlichste von allen. Lassen Sie's lieber stehen; ich habe nur das eine Fläschchen mit, und es könnte Ihnen aus der Hand fallen und entzweigehen. Aber wo war ich doch gleich stehengeblieben? – Ja, bei dem Irrtum« – und er tat immer zwischen den einzelnen Sätzen einige Striche mit der Feile, gleichsam als Begleitung seiner Geschichte. – »Der Fall betraf nämlich einen jungen Kaufmann aus Little Rock, der in einem Wortwechsel von seinem Gegner angeschossen, und zwar so sonderbar getroffen war, daß ihm die Kugel durch das dicke Fleisch des rechten Oberschenkels in das linke Bein, eine Spanne etwa über dem Knie, hineinfuhr und dort zwischen Muskeln und Schenkelknochen so fest sitzen blieb, daß sie meine hartnäckigsten Bemühungen, sie wieder herauszubekommen, trotzte, während der junge Mann wirklich musterhaft stillhielt und, solange meine versuchte Operation dauerte, ein ganzes Stück Gummi elasticum kurz und klein biß. Die Wunde in dem einen Oberschenkel war nur durch Blutverlust bedeutend geworden, und ich verband sie deshalb sorgfaltig, tat dann ein gleiches mit der anderen, in der die Kugel stak, und gelangte bald zu der Überzeugung, daß hier nichts anderes geschehen könne als eine Amputation des die Kugel enthaltenden Beines, um innerliche Schwärung und Knochenfraß zu vermeiden. Der junge Mann zeigte sich auch zu allem bereit, wenn er nur am Leben erhalten würde; denn er war Bräutigam und hoffte, auch mit einem Beine glücklich werden zu können. Ich ging also frisch an die Arbeit, während er – denn festbinden wollte er sich nicht lassen – ruhig auf dem Bette lag und an die Decke hinaufsah. Da« – und der Doktor nahm in der Erinnerung an das Geschehene die Brille ab und legte die Feile vor sich auf den Tisch –, »als ich schon im besten Schneiden war, schrie der junge Kaufmann plötzlich – ich sehe ihn noch vor mir, wie er mir rasch nach dem Arm griff, ›Doktor – Heiland der Welt, – Sie nehmen mir das falsche Bein ab!‹
    Ich erschrak natürlich; denn ich hatte schon den Fleischschnitt gemacht und die Säge eben angesetzt. Übrigens können Sie sich in meine Lage denken, als ich fand, daß er wirklich recht habe. Hier galt es Geistesgegenwart und rasche Enschlossenheit. – Gestand ich den Irrtum ein, ich wäre verloren gewesen; sie hätten mich gesteinigt. – Ich durfte mich also nur nicht irremachen lassen, lahm wäre er jetzt doch jedenfalls auf dem Beine geworden. – Ich lachte ihm also gerade ins Gesicht, bewies ihm, daß er von der und nicht von der Seite gestanden hätte, als der Schuß fiel, und sägte ihm, da er überdies ohnmächtig wurde, den Knochen vollends durch.«
    »Wirklich das falsche Bein?« fragte Sander erstaunt.
    »Die Sache wäre übrigens ganz gut abgelaufen«, fuhr der Doktor fort, ohne die Frage geradehin zu bejahen; – »denn glücklicherweise fiel die Kugel jetzt aus dem andern Bein, vielleicht durch das krampfhafte Zucken der Muskeln getrieben, von selber heraus, und ich behandelte nun den andern Schenkel ganz so wie früher das nur leicht verwundete und jetzt abgesägte Bein; der Kranke selber hätte es nie merken sollen. Die verwünschten anderen Ärzte aber mengten sich unberufenerweise in die Sache, und da ich nicht zu ihrer Clique gehörte – denn sonst hätte keiner von ihnen einen Mucks getan – und sie mich überdies gern von Little Rock forthaben wollten, so fielen alle über mich her, bewiesen auf einmal, daß ich das Bein wirklich abgenommen hätte, durch welches die Kugel glatt durchgegangen war – die vermaledeiten Kugellöcher von beiden Seiten ließen sich auch nicht wegdisputieren, und ich mußte

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