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Die Flußpiraten des Mississippi (German Edition)

Die Flußpiraten des Mississippi (German Edition)

Titel: Die Flußpiraten des Mississippi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Gerstäcker
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weiter gar nichts zu bemerken war, und arbeitete mit immer größerem Eifer und röter werdendem Gesicht in den Kohlen herum. Schon zweimal hatte sie sich vergebens bemüht, den schweren eisernen Kessel aufs Feuer zu heben. Jonathan, dies bemerkend, sprang rasch hinzu, ergriff die Haken und schwang das mächtige Gefäß mit leichter Mühe auf seinen Ort, wandte sich dann lächelnd nach seiner kaum noch schmollenden Ehehälfte um, drückte ihr einen raschen, aber nichtsdestoweniger derbgemeinten Kuß in das rote, gutmütige Gesicht und schritt im nächsten Augenblick, die Hände tief in den Beinkleidertaschen und aus Leibeskräften den Yankeedoodle pfeifend, rasch zur Tür hinaus ins Freie.

Kapitel 3
    Leser, hast Du schon je ein amerikanisches Wirtszimmer gesehen? Nein? Das ist schade; es würde mir die Beschreibung ersparen. Wie die Bahnhöfe auf unseren Eisenbahnen, so haben die Wirtszimmer in der Union eine Familienähnlichkeit, die sich in keinem Staate, weder im Norden noch Süden, verleugnen läßt und in den kostbarsten Austernsalons der östlichen Städte wie in den gewöhnlichen grogshops der Backwoods sichtbar und erkennbar bleibt. Der Schenktisch, mag er nun mit Marmorplatten belegt oder von einem schmutzigen hölzernen Gitter beschützt sein, trägt seine kleinen Fläschchen mit Pfefferminz und Staunton Bitters, damit sich jeder Gast sein Getränk mit einer der beiden scharfen Spirituosen würzen kann, und die dahinter angebrachten Karaffen blitzen und funkeln und laden mit ihrem farbigen Inhalt den Gast ein, sie zu kosten. Apfelsinen und Zitronen füllen die leeren Zwischenräume aus, und bleibehalste Champagnerflaschen sowie süße, mit buntfarbigen Etiketten versehene Liköre prangen in den obersten Regalen. Nie aber wird sich der Reisende in diesen öffentlichen Gebäuden, mögen sie nun ›hotel‹ oder ›inn‹ , ›tavern‹ oder ›boardinghouse‹ heißen, wohnlich fühlen. Wie alles in Amerika, einzelne Privatwohnungen ausgenommen, nur für den augenblicklichen Genuß und Nutzen eingerichtet ist und jeder wirklichen Behaglichkeit entbehrt, so ist es auch mit diesen doch eigentlich für die Bequemlichkeit der Reisenden hingestellen Gasthäusern. Schon die ganze Einrichtung beweist das. Nur vor dem Kamin stehen Stühle, und hier sammeln sich selbst im Sommer, wenn kein Feuer darin brennt, aus alter Gewohnheit die Gäste und spritzen ihren Tabakssaft in die liegengebliebene Asche. Keiner setzt sich mit seinem Glas zum Tisch und verplaudert ein halbes Stündchen mit dem Freund; keiner liegt im Stuhl behaglich zurückgelehnt und beobachtet die Kommenden und Gehenden. In Gruppen stehen sie beisammen; das kaum gefüllte Glas wird schnell geleert, höchstens eine Zeitung überflogen, und schon eilt der eben erst eingekehrte Gast wieder seinen Geschäften oder seinem Vergnügen nach.
    Das Union-Hotel machte keine Ausnahme von dieser allgemeinen Regel. Der Tür gegenüber befand sich der Schenkstand, hinter dem ein junger Mann kaum Hände genug zu haben schien, die verlangten Gläser zu füllen. Links war der Kamin, rechts führten drei Fenster auf die Elmstreet hinaus, während neben der Tür zwei andere vornheraus eine Aussicht durch die Veranda nach der breiten Frontstreet und zugleich auf die Dampf- und Flatboot-Anlegestelle und den Strom gewährten. In der Mitte des ziemlich großen Raumes stand ein breitfüßiger, viereckiger Tisch, auf dem ein paar Zeitungen, die ›State Gazette‹ der ›Cherokee Advocate‹ und das ›New-Orleans-Bulletin‹, lagen, und ein Dutzend Stühle ein kleiner Nürnberger Spiegel und eine unvermeidliche Yankee-Uhr über dem Kaminsims füllten den übrigen Platz aus.
    Interessanter aber waren die Gruppen, die in den verschiedenen Teilen des Zimmers herumstanden. – Nur zwei Leute saßen nämlich, und zwar wie zwei Verzierungen zu beiden Seiten des Kamins: die Rücken der Gesellschaft zugedreht und die Beine hoch oben auf dem Sims neben der Uhr.
    Den Mittelpunkt der Gäste bildeten ein junger Advokat aus Helena namens Robins, ein Farmer aus der Nähe von Little Rock, ein junger, grobknochiger Geselle, der trotz des hellblauen Frackes aus Wollenzeug und des schwarzen abgeschabten Filzes etwas unverkennbar Matrosenartiges an sich hatte, und der sogenannte Mailrider, der zu Pferde den ledernen Briefsack zwischen Helena und Strongs Postoffice in der Nähe des St.-Franzis-Flusses hin- und herführte. Das Gespräch drehte sich jetzt um die eben beschriebenen Vorfälle, die sie

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