Die Flußpiraten des Mississippi (German Edition)
kurze Ende einmal durchzog und befestigte. Den zweiten sicheren Halt hatte er noch nicht gefunden, als sich plötzlich das starke Tau strammte, etwa zwei Fuß auf der schlüpfrig-nassen Rinde fortglitt und dann, als es in anderen Ästen Widerstand fand, mit fürchterlichem Ruck, vom Gewicht des ganzen Bootes gezogen, den zitternden Stamm aus seinen Fugen zu reißen drohte.
Der alte Baum saß aber ingrimmig fest in seinem schlammigen Bett und war nicht so leicht zu überreden, den lange behaupteten Platz zu verlassen; – er wich und wankte nicht, aber der blattlose Wipfel wurde durch die Spannung tief hinein in den Strom gerissen, und ein Schrei der Angst rang sich gewaltsam aus der Brust der sonst nicht gerade sehr empfindsamen Bootsleute, als plötzlich im entscheidenden Augenblick der ganze weitästige Baum mit dem fest darangeklammerten Kameraden in der gelben, sprudelnd aufgähnenden Flut verschwand. Gleich darauf tauchten wieder einzelne Spitzen aus der kochenden Stromfläche empor, und während das tolle Anschäumen der Wasser gegen den breiten Bug des Flatbootes und das rasche Herumschwenken seines Hecks verriet, wie es wirklich und glücklich von dem so keck befestigten Tau gehalten werde, kam auch das nasse, von langem, braunem Haar umklebte Gesicht des Bootsmannes wieder zum Vorschein. Der aber öffnete die Augen nur eben weit genug, um den Ort zu erkennen, wo das Tau saß, ergriff dieses rasch, um den angefangenen Knoten erst noch fester durch ein zweites Umschlagen zu schürzen, und arbeitete sich dann an dem straffgespannten Tau so schnell wie möglich zum Boot zurück. Er fürchtete nämlich nicht mit Unrecht, durch den hier wirbelnden und reißenden Strom unter das Boot gezogen zu werden, wenn er es mit Schwimmen erreichen wollte; denn die Anziehungskraft solcher flachen ›Bottoms‹ ist ungemein stark und äußerst gefährlich.
Aller Arme streckten sich ihm hier entgegen, und während ihm noch ein Teil vollends heraushalf, bemühte sich der andere, das Tau auch an Bord ordentlich und sicher zu befestigen. Das Ganze aber hatte kaum so viele Sekunden gedauert, wie ich hier Minuten Zeit zum Erzählen brauche, und noch standen die Männer, über die Tollkühnheit des Kameraden plaudernd, zusammen, als auch dieser schon wieder in trockenen Kleidern oben erschien und sich behaglich auf seine dort ausgebreitete Decke streckte. Das Abendessen, das vorher durch den schnellen Aufruf zum Rudern unterbrochen war, wurde jetzt beendet, wobei der Whiskybecher fleißig im Kreise herumging, und die Mannschaft schien sich überhaupt mit der solchen Leuten eigenen Sorglosigkeit ungestörtem Frohsinn hinzugeben. War ja doch für den Augenblick jede Gefahr und Ungewißheit beseitigt, und ihr Boot lag sicher und ruhig vor starkem Tau. Brach sich mit der Morgendämmerung dann der Nebel, so konnten sie ruhig und bequem stromab treiben und ihre Fahrt beenden. Mürrisch ging Blackfoot indessen an Deck auf und ab, während sich Bill dagegen den Zechenden anschloß und in bester Laune von der Welt mit dem jetzigen Beilegen des Bootes vollkommen einverstanden schien. Edgeworth hielt sich von seinen Leuten etwas abgesondert und sprach nur einmal, als er an ihm vorüberging, einige Worte mit Bob Roy, während sich Mrs. Everett in ihr Zelt zurückzog und dort Gott in heißen Gebeten anflehte, sie alle aus einer Gefahr zu retten, die um so peinlicher und fürchterlicher war, da sie ihren Umfang wie ihre Nähe nicht einmal kannten. Nach und nach wurde es ruhiger an Deck; – die Leute waren meistens in ihre Schlafkojen hinabgegangen. Nur Blackfoot und der Steuermann lagen, dieser am Steuer, der andere dem Vorderteil des Bootes näher, wo das Springtau an Bord befestigt war, und zwar mit seinem Kopf auf der Rolle. Edgeworth hatte sich gleichfalls mehr nach vorn, aber dicht an dem dort aufgeschichteten Gepäck ein Lager gesucht, neben dem auch Wolf dicht zusammengerollt, schlief und träumte.
Obgleich Edgeworth aber still und regungslos dalag, so schlief er doch keineswegs, vielmehr horchte er mit durch innere Aufregung noch mehr geschärften Sinnen selbst dem leisesten Geräusch, das ihn umgab. Das heute Erlebte ließ ihn nicht ruhen, und er konnte auch kaum noch einen Zweifel hegen, daß jene beiden Männer, sein Steuermann und der fremde Händler, ein Einverständnis, und zwar zu unrechtlichen, ja vielleicht gar gewalttätigen Zwecken miteinander hatten. Den in sein Zündloch geschobenen Stift hatte er richtig gefunden, und
Weitere Kostenlose Bücher