Die Flußpiraten des Mississippi (German Edition)
früheren Platz schreiten sah und hörte, wie sie sich dort an Deck streckte, ließ auch er den Kopf zurücksinken auf sein hartes Kissen, und das matte Blinken der auf ihn niederscheinenden Sterne, das melancholische, monotone Rauschen der Wasser, das Murmeln und Plätschern des rasch vorbeiflutenden Stromes fingen bald an, den Schlummer auf seine müden Augenlider herabzuziehen. Es dauerte nicht lange, so verschmolzen die äußeren ihn umgebenden Szenen mit seinem inneren Geist, und Traum und Phantasie führten ihn zurück zu den Ufern des Wabasch, an das Grab seines Sohnes, über dem die kreuzbezeichnete Eiche rauschte und wunderlich wilde Weisen in ihren weitausgestreckten Ästen und Zweigen sang und murmelte.
Das starke Tau aber, durch welches sein gefährdetes Boot an sicherem Ankerplatz gehalten wurde, zitterte und zuckte unter der leichten, doch scharfen Schneide des feindlichen Stahls; Faser nach Faser gab vibrierend nach, und kaum ein Drittel des Ganzen hielt noch die gewaltige an ihm hängende Last. Blackfoot lag jetzt ebenfalls regungslos still; – er erwartete geduldig die Wirkung des einmal verletzten Taues. Das aber schien in seinem letzten Teile auch seine zähe Kraft vereinigt zu haben, und ein kaum daumenstarkes Seil stemmte sich wacker gegen Strömung und Flut der eindringenden Wassermasse. Da glitt noch einmal rasch und vorsichtig die scharfe Schneide über die schon ohnedies zum Zerspringen angespannten Fasern hin, von denen zum Halten des Ganzen keine einzige mehr entbehrt werden konnte. – Blackfoot hörte, wie in rascher Reihenfolge eine nach der anderen sprang, und jetzt – ängstlich und selbst erschreckt hob er den Kopf, jetzt riß auch der letzte schwache Halt, und mit plötzlichem Ruck, aber sonst still und geräuschlos, verließ das Boot im nächsten Augenblick pfeilgeschwind die alte Sykomore, die nun, von ihrer gewaltigen Last befreit, in dem sie umschäumenden Strome auf- und niederflog und sich der neugewonnenen Freiheit in grimmiger Lust zu freuen schien.
Kapitel 26
Der entscheidende Schritt war getan; das Boot trieb in der reißenden Strömung rasch hinab, der Insel und seinem sicheren Verderben entgegen; die aber, über deren Haupte das Damoklesschwert noch hing, träumten ruhig fort und schienen alles das, was am vorigen Abend ihre Seelen mit Besorgnis erfüllt hatte, vergessen zu haben. Selbst Mrs. Everett war durch die Aufregung der vorigen Stunden so ermüdet, daß sie in leichtem Schlummer auf ihrer unter dem Zelt ausgebreiteten Decke lag. Bill war jetzt aufgestanden und schlich nach vorn zu dem Gefährten, und als dieser seinen Schritt auf den schwankenden Brettern mehr fühlte als hörte, hob er den Kopf und folgte dann leise seinem Beispiel.
»Wir sind dicht an der Insel«, flüsterte Bill, als er an Blackfoots Seite stand; – »ich höre schon den Bruch der Wasser in den an der oberen Spitze hineingeworfenen Wipfeln.«
»Das habe ich auch gehört«, erwiderte Blackfoot mit vorsichtig gedämpfter Stimme; – »aber es kommt mir fast so vor, als ob es zu weit rechts wäre. Möglich könnte es doch sein, daß uns die Strömung weiter hinübergebracht hätte, als wir erwarteten; am Ende ist es besser, du gehst ans Steuer und lenkst den Bug ein klein wenig rechts hinüber; – vorbei fahren wir an der rechten Seite auf keinen Fall.«
»Das geht nicht«, sagte Bill; – »das Knarren des schweren Ruders würde die Schläfer oder doch auf jeden Fall den Alten wecken. Pst – der Hund knurrt schon. Wenn ich nur die verdammte Bestie über Bord hätte.«
»Dort drüben höre ich Land«, flüsterte Blackfoot rasch, »das muß, bei Gott, die Insel sein, und zwar rechts. – Hölle und Teufel, wie weit uns der Strom hinübergetrieben hat! Wie wär's denn, wenn wir die Mannschaft rasch an Deck und an die Finnen riefen? – Die Burschen sind jetzt alle schlaftrunken und werden sich, wenn sie das zerrissene Tau sehen, aus Leibeskräften auf die Sandbank rudern.«
»Vielleicht«, sagte Bill kopfschüttelnd, »und wenn wir das verbürgt wüßten, wäre der Plan vorzüglich; wollen sie aber nicht, so haben wir verspielt oder setzen uns selbst fast gewisser Todesgefahr aus. Nein, sobald wir noch eine Meile weiter unten sind, mag sie mein Schuß wecken; vorher aber schieben wir die schwere Kiste, die dicht an der Luke steht, über den Einstieg, und daß nachher aus der keiner der Eingesperrten herausklettert, soll meine Sorge sein. Du fertigst indessen rasch den Alten ab. – Dein
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