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Die Flußpiraten des Mississippi (German Edition)

Die Flußpiraten des Mississippi (German Edition)

Titel: Die Flußpiraten des Mississippi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Gerstäcker
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wider sie und durchbrechen nicht selten ihre Festen. Gnade dann Gott dem armen Lande, das diese fessellosen Massen überschwemmen! Nicht einmal Flucht hilft mehr. Mit Sturmesschnelle wälzen sich die schäumenden Wogen durch friedliche Felder und über fruchtbare Ebenen hinaus; – erbarmungslos schleppen sie hinweg, was sie tragen können, und vernichten das übrige. Und wenn sie weichen, wenn sie dem vorangegangenen, nicht rechts noch links schauenden Kern der Armee folgen, dann lassen sie eine Wüste zurück, in der oft selbst die letzte Spur menschlichen Fleißes vernichtet wurde.
    Solche fürchterliche Macht übt der Mississippi. – Ist er aber vorübergetobt, künden nur noch die schlammigen Streifen an Hügel und Baum, welch furchtbare Höhe er erreichte, dann strömt er gärend und innerlich kochend, aber doch in sein Bett hineingezwängt, zwischen den unterwühlten Ufern hin, von denen er nur hier und da, wie aus Grimm, daß ihm jetzt die Kraft fehlt, über sie hinauszubrechen, einzelne Stücke abreißt und sie spielend in seine Flut verwäscht. Die gelbe, lehmige Strömung schießt reißend schnell, hier und da mit trüben Wirbeln und Strudeln gemischt, von Landspitze zu Landspitze hinüber; schmutzige Blasen treiben auf ihrer Fläche, und selbst die sich weit hinüberbiegenden Weiden und Baumwollholzschößlinge suchen vergebens ihr Spiegelbild in dem flüssigen Schlamm. Dazu starren die Riesenleiber der Urbäume, selbst dicht am Rande der schroff abgerissenen Uferbank, ernst und finster zum Himmel empor, und weite undurchdringliche Rohrbrüche, von dornigen Lianen durchwoben, dehnen sich unter ihnen aus, den einzigen Raum noch erfüllend, der durch die Baum- und Strauchmassen zu führen schien.
    Tom Barnwell hatte, ohne sich sonderlich anzustrengen, seine Bahn auf der angeschwollenen Flut langsam verfolgt und etwa zehn Meilen, teils rudernd, teils in seinem Kahn nachlässig ausgestreckt, zurückgelegt. Er sah jetzt eine kleine, runde Insel vor sich, die, dicht mit Weiden bewachsen, fast mitten im Strome lag und an der ihn die Strömung rechts vorbeizuführen schien. Er ließ denn auch sein Boot ruhig und selbständig gehen und wurde nahe an das westliche Ufer getragen, wo sich der Schilfbruch so dicht ans Ufer hinanzog, daß die vordersten Rohre stromüber in die Fluten gestürzt waren und nun mit ihren langen starren Blättern die Schaumblasen aufgriffen und zerteilten. Gestürztes Holz lag hier so wild durcheinander, daß Tom fast unwillkürlich das Auge kurze Zeit darauf haften ließ und noch eben bei sich dachte, wie es hier doch selbst einem Bären schwer werden würde durchzukommen, als fast neben ihm und höchstens zwanzig Schritt entfernt, mitten aus dem tollsten Gewirr von Rohr und Schlingpflanzen heraus die munteren, scharfgellenden Töne einer Violine zu ihm drangen. Tom blickte erstaunt auf; es blieb ihm aber bald kein Zweifel mehr, daß dort wirklich ein Unbekannter die Violine spielte, und der Bootsmann sah sich ordentlich scheu einen Augenblick um, ob er auch in der Tat auf dem Mississippi und dicht neben einem Rohrbruch schwimme und nicht etwa aus Versehen an irgendeine bis dahin noch unentdeckte Stadt gekommen sei. Die Umgebung blieb aber wirklich, ebenso die Musik, und da er fest entschlossen war, sich selbst zu überzeugen, wer hier im Urwald von Arkansas ein Solo-Konzert gäbe, lief er mit seinem Kahn dicht ans Ufer, band ihn hier fest an einen jungen Sykomoreschößling, der zwischen zwei größere Stämme eingeklammert lag, und kletterte dann – ein Weg war nirgends zu sehen – mit Hilfe dieser Sykomore das steile Ufer hinauf, wo er sich aber erst mit seinem Messer gegen die immer lebendiger werdenden Töne hin Bahn hauen mußte. Mühsam arbeitete er sich durch und erreichte endlich den Wipfel eines umgestürzten oder, wie er später herausfand, eines gefällten Baumes. Er drängte sich durch das Geäst und lachte plötzlich laut auf, als er hier, mitten im Rohrbruch, von weiter nichts als Schlingpflanzen und Moskitos umgeben, den einsamen Musikanten vor sich sah.
    Es war ein junger Mann, vielleicht von vier- bis fünfundzwanzig Jahren, mit krausen, dunkelbraunen Haaren und starkem, sonnenverbranntem Nacken. Er war nur in ein baumwollenes Hemd und ebensolche Hosen gekleidet und hatte neben sich einen breitrandigen Strohhut und eine Axt, die ruhig an dem Stamme lehnte, an dem er noch eben gearbeitet haben mußte. Er selbst aber, höchst behaglich an einen emporstarrenden Ast

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