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Die Flusswelt Der Zeit

Die Flusswelt Der Zeit

Titel: Die Flusswelt Der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
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weil eine Beichte gut für die Seele ist, habe ich dich aufgefordert, mir dein Leben zu erzählen. Ich sehe jetzt, daß du dich dessen, was du tatest, schämst; gleichzeitig sehe ich aber auch, daß du gelegentlich mit Genuß daran zurückdenkst, welch mächtiger Mann du einst unter deinesgleichen warst. Viel von dem, was du mir berichtetest, verstehe ich nicht, da ich nicht viel über die Zeit weiß, der du entstammst.
    Aber auch das spielt keine Rolle. Nur das Heute und das Morgen betreffen uns, und jeder folgende Tag wird für sich selbst zählen.«
    Burton hatte den Eindruck, daß es Collop weder interessierte, was Göring einst gewesen war, noch daß er dem Deutschen seine Geschichte überhaupt abnahm. Es gab zu diesen Zeiten so viele Spinner, daß die wirklichen Helden und Schurken ihnen gegenüber tatsächlich weit in der Minderheit waren.
    Burton selbst hatte inzwischen die Bekanntschaft von zwei Leuten, die sich für Jesus Christus hielten, gemacht. Des weiteren kannte er drei Abrahams, sechs Attilas, ein Dutzend Judasse (von denen nur einer in der Lage war, aramäisch zu sprechen), einen George Washington, zwei Lord Byrons, drei Jesse James’, jede Menge Napoleons, einen General Custer (mit einem wunderhübschen Yorkshire-Akzent), einen Finn MacCool (der kein mittelalterliches Irisch konnte), einen Tschaka (der allerdings den falschen Zulu-Dialekt beherrschte) und nicht weniger als sechs Leute, die für sich in Anspruch nahmen, Richard Löwenherz zu sein.
    Egal, was man auf der Erde dargestellt hatte: Jedermann mußte sich auf dieser Welt seinen Platz erkämpfen. Und das war nicht leicht, zumal sich die Voraussetzungen entscheidend geändert hatten. Die Großen und Wichtigen der Erde waren aus diesen Gründen ebenso wie die Spinner ständigen Demütigungen ausgesetzt und weigerten sich daher meist, ihre wahren Identitäten preiszugeben.
    Für Collop stellte die Erniedrigung allerdings so etwas wie einen Segen dar.
    Erst die Erniedrigung, dann die Demut, so lautete seine Devise. Und irgendwann würde dann die Menschlichkeit von selber kommen.
    Und Göring hatte sich in dem Großen Plan – wie Burton es nannte – verfangen, weil es seiner Natur entsprach, sich übermäßigem Genuß hinzugeben, wie sein großer Drogenkonsum bewies. Obwohl er genau darüber Bescheid wußte, daß Dinge wie Traumgummi an seinen Wurzeln zerrten, sein Innerstes nach außen stülpten und die finsteren Kräfte, die tief in seinem Innern schlummerten, an die Oberfläche trieben, ihn zerrissen und wankelmütig machten, kaute er dennoch soviel, wie er bekommen konnte. Er war nach der neuen Erweckung zeitweise stark genug gewesen, sich dem Ruf der Droge zu widersetzen. Aber bereits ein paar Wochen nach der Ankunft in diesem Gebiet hatte sie sich als stärker erwiesen. Göring kaute wieder. Es dauerte nicht lange, dann wurde die Stille der Nacht wieder von seinem Geschrei zerrissen: »Hermann Göring, ich hasse dich!«
    »Wenn das so weitergeht«, sagte Burton zu Collop, »wird er bald durchdrehen.
    Oder er wird sich umbringen. Vielleicht kann er auch einen anderen so weit treiben, ihn zu töten, damit er weiter vor sich davonlaufen kann. Aber auch der Tod kann ihm keinen Nutzen bringen; es wird immer so weitergehen. Sag mir, ist das nicht doch die Hölle?«
    »Es ist das Fegefeuer«, sagte Collop. »Und im Fegefeuer gibt es immer noch die Hoffnung.«
     

24
     
    Zwei Monate vergingen. Burton hatte sich angewöhnt, die verflossenen Tage mit der Spitze eines Steinmessers in einen Pinienstab zu ritzen. Er erlebte nun den vierzehnten Tag des siebten Monats im Jahre fünf N.W. – nach der Wiedererweckung. Er versuchte den Kalender akkurat zu führen, schließlich war er – unter anderem – ein Chronist. Aber es war schwierig, denn die Zeit bedeutete in der Flußwelt nicht sonderlich viel. Der Planet verfügte über eine Polachse, die neunzig Grad zur Ekliptik stand, deswegen gab es weder unterschiedliche Jahreszeiten noch die Möglichkeit, sich an den Sternen zu orientieren, die so eng beieinander standen, daß man dachte, sie müßten sich fast anrempeln. Sie waren so groß und hell, daß selbst die Mittagssonne, wenn sie den Zenit erreichte, nicht in der Lage war, den größten von ihnen völlig zu überstrahlen. Wie Geistererscheinungen, die sich trotzig weigerten, bei Tagesanbruch zu verschwinden, hingen sie brennend am Himmel.
    Dennoch – der Mensch braucht seine Zeitrechnung wie der Fisch das Wasser.
    Und wenn er sie nicht

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