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Die Fotografin

Die Fotografin

Titel: Die Fotografin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B.C. Schiller
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eines Gefängnisses. Ein kurzer Blick in den Korridor zeigt mir, dass Noori noch immer telefoniert. Sie hat mir erzählt, dass ihre Mutter krank sei. Es ist also etwas Ernstes, sonst würde sie ihre Aufsichtspflicht nicht so lange vernachlässigen.
    Lautlos schleiche ich im Zickzack von der Rezeption zurück, um von den Kameras nicht erfasst zu werden. Bevor ich wieder in den Gang mit den Toiletten einbiege, sehe ich links eine offene Tür. Es ist der Aufenthaltsraum für die Patienten. Ein großer Flachbildfernseher läuft ohne Ton und die Bilder vermischen sich mit dem gedimmten Licht zu einem stummen Kammerspiel. Zwei Frauen in weißen Poloshirts sitzen mit dem Rücken zu mir an einem verchromten Designertisch mit weißer Platte und spielen Karten. Zunächst halte ich sie für Patienten, doch dann sehe ich das große Logo auf ihren Polohemden. Sie gehören zum Reinigungspersonal, das abends und nachts in der Klinik für Ordnung sorgt.
    Mich haben sie nicht bemerkt, so vertieft sind sie in ihr Kartenspiel. Ihre weißen Mäntel mit dem Logo der Leihpersonalfirma haben sie ausgezogen und an einen Haken neben der Tür gehängt. Das ist die Gelegenheit für mich. Ohne zu überlegen, greife ich mir einen Kittel, ziehe ihn blitzschnell über und bin auch schon wieder draußen auf dem Korridor. Weit hinten sehe ich Noori, die noch immer telefoniert. Wahrscheinlich redet sie mit ihrem älteren Bruder, dem sie einen Großteil ihres Verdienstes schickt, damit er die Geschwister ernähren, aber vor allem die kranke Mutter ärztlich versorgen lassen kann. Jeder hat eine Familie, für die es sich zu leben lohnt, nur ich habe niemanden.
    Aber ich will beweisen, dass ich nicht verrückt bin, deshalb muss ich auch die Klinik verlassen. Ich muss das Mädchen mit dem Tinkerbell-Tattoo finden und sie wird mir bestätigen, dass ich mir das Verhältnis mit Talvin nicht eingebildet habe. In der Tasche des Arbeitsmantels finde ich ein großes Tuch mit Blumenmuster, das ich mir um den Kopf schlinge. Jetzt sehe ich aus wie eine der vielen Leiharbeiterinnen, die wie lautlose Geister in der Nacht die weißen Zimmer der Klinik saugen, wischen und putzen. Ich klopfe mit der Faust auf die Rezeption, hänge mir einen Teil des Tuchs über Kinn und Mund, bin jetzt eben eine muslimische Reinigungskraft. Klopfenden Herzens warte ich auf die Nachtschwester, die aus einem der hinteren Zimmer nach vorne zur Rezeption schlurft. Sie registriert mich nicht wirklich, denn mit dem Kittel und dem Kopftuch bin ich für sie unsichtbar. Mit gelangweilter Miene tippt sie einen Code ein und die großen Glastüren in die Freiheit öffnen sich für mich mit einem leisen Zischen und ich trete hinaus in den weichen dämmrigen Abend.
    Es ist noch niemals vorgekommen, dass jemand aus der Klinik geflüchtet ist. Warum sollte man das auch tun? Man bekommt die Medikamente, die einen in einen permanenten Glückszustand versetzen und kann zwischen drei Menüvorschlägen wählen, die alle unglaublich wenige Kalorien haben. Die Klinik ist eben spezialisiert auf labile Frauen ohne Selbstbewusstsein wie mich, die sich ausschließlich über Gewicht und Aussehen definieren. Aber das ist jetzt vorbei. Ich bin in Freiheit und habe ein Ziel. Draußen auf dem Parkplatz bleibe ich kurz stehen, um mich zu beruhigen, um meinen Puls wieder zu normalisieren. Gierig sauge ich die warme Abendluft ein, jetzt werden auch die Schatten bereits länger, die Dämmerung verdrängt das helle Licht und die Nacht kündigt sich an.
    Mit gesenktem Kopf gehe ich die Straße entlang, die von der Klinik wegführt. Nicht zu schnell, aber auch nicht zu langsam. Ich will in der Masse verschwinden, mich einfach auflösen, um unerkannt nach dem Mädchen mit dem Tinkerbell-Tattoo zu suchen. Aber mit meinem Arbeitsmantel, dem Kopftuch und den weißen Hausschuhen bin ich natürlich eine auffällige Erscheinung. Überhaupt fällt mir auf, dass mich die Passanten neugierig anstarren und mir mit einer gewissen Aggressivität begegnen. Immer mehr Passanten kommen mir entgegen, aber in meine Richtung geht niemand! Das heißt, ich bin auch hier in der Stadt vollkommen allein.
    ‚Das sind nur die Symptome Ihrer Krankheit, Adriana. Keine Sorge, das bekommen wir medikamentös in den Griff!‘, würde Dr. Mertens sagen, wenn ich ihm davon erzähle, aber ich habe nicht vor, das zu tun. Die Wirkung der Medikamente, die man mir verabreicht hat, klingt langsam ab und ich fühle mich leicht und frei. Ich winke einem Taxi,

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