Die Fotografin
gemacht, Adriana!“
„Was redest du da? Wann hast du unserem Sohn jemals ein Lied vorgesungen?“
„Aber ich hätte es gerne, ich hätte es gerne! Doch durch deine Unachtsamkeit ist unser Sohn gestorben. Weil du Angst vor dem Wasser hast, weil du dich vor geschlossenen Räumen fürchtest und in einer Traumwelt lebst, wo es weder Gewalt noch Tod gibt.“
Mit seinem Golfschläger tippt er auf die Folie, in die der tote Talvin eingewickelt ist.
„Niemand wird je davon erfahren! Das verspreche ich dir. Unsere Familie hält doch zusammen, nicht wahr?“
Jetzt wendet er mir den Kopf zu und seine schwarzen Augen flackern. Das Blinklicht des Notstromaggregats beleuchtet sein Gesicht blutrot und lässt seine Augen noch schwärzer erscheinen. Marion hatte recht, Gregor hat die gleichen pechschwarzen Augen wie sie. Was hat das alles nur zu bedeuten?
„Mein armer Liebling! Was hast du nur die ganze Zeit über mitgemacht. Warum hast du dich nicht deinem Mann anvertraut? Geheimnisse bleiben in der Familie. Das war schon immer so. Wir sind eine richtige Familie und können Geheimnisse mit ins Grab nehmen. Bis ins Grab, verstehst du mich, mein kleiner Liebling?“
Er stößt sich von der Gefriertruhe ab, klopft mit dem Golfschläger in seine offene Handfläche.
„Ich habe mit dem Parteivorsitzenden telefoniert, während unser Sohn ertrunken ist“, wechselt er plötzlich das Thema und öffnet das Stahlband seiner Taucheruhr. „Die Uhr habe ich auf eine Minute eingestellt, dann wollte ich hinaus zu Paul schwimmen. Aber da war er bereits verschwunden. Ich habe mich darauf verlassen, dass du die Situation unter Kontrolle hast, Adriana! Aber du hast versagt!“ Angewidert lässt er die Uhr auf den Steinboden des Kellers fallen, starrt auf das noch immer unbeschädigte Gehäuse. Er ist die Ruhe selbst, während draußen ein fürchterliches Gewitter tobt und der Regen schwer gegen die Kellerfenster klatscht.
18:20 Uhr
Plötzlich stößt Gregor einen Schrei aus und drischt mit dem Golfschläger auf die Uhr ein, holt wieder und immer wieder aus, bis das Gehäuse der Uhr völlig zerbeult ist und schließlich auseinanderspringt. Dann trampelt er mit seinen Schuhen auf den Bestandteilen herum, stützt sich auf seinen Golfschläger und wischt sich mit dem Handrücken den Schweiß von der Stirn.
„Jetzt brauche ich diese Uhr nicht mehr. Jetzt habe ich alles unter Kontrolle!“
Als er mein entsetztes Gesicht sieht, grinst er mich völlig entrückt an.
„Du brauchst nicht zu erschrecken, Liebling. Du gehörst zur Familie. Aber wir dulden keine Eindringlinge. Deshalb verlangen wir schärfere Kontrollen!“ Um seinen Worten den nötigen Nachdruck zu verleihen, lässt er das Eisen auf die Gefriertruhe krachen.
„Das hast du übrigens gut gemacht!“, sagt er dann und deutet lächelnd auf den toten Talvin.
„Ich habe Talvin nicht getötet“, flüstere ich, obwohl ich mir noch immer nicht sicher bin. „Ich bin keine Mörderin!“
„Liebling, es ist doch so gleichgültig!“ Gregor lächelt versonnen. „Es ist alles lächerlich, wenn man an den Tod denkt. Das habe ich auch zu Marion gesagt.“
18:30 Uhr
„Was ist mit Marion? Was hast du mit Marion gemacht?“
„Marion ist weg, sie hat dich im Stich gelassen! Das hast du jetzt von deiner besten Freundin.“
Wütend knallt Gregor den Golfschläger erneut gegen die Gefriertruhe und wirft einen Blick hinein. Blitzschnell rechne ich mir meine Möglichkeiten aus, die Treppe zu erreichen und nach oben zu flüchten. Meine Chance ist minimal, aber solange die Beleuchtung ausgefallen ist, muss ich es riskieren.
„Marion hat dich verraten!“, höre ich Gregors Stimme wie aus einer anderen Welt. „Sie wollte dich gegen mich aufhetzen. Während du in der Klinik warst, wollte sie dich besuchen und irgendwelche Lügen über mich erzählen, aber das habe ich verhindert. Sie wollte mich auf dem Parkplatz zur Rede stellen. Sie wollte unsere Familie zerstören.“
Dann habe ich mich also getäuscht, als ich Marion und Gregor von meinem Klinikfenster aus auf dem Parkplatz gesehen habe, als sie sich scheinbar innig umarmten. Marion ist meine beste Freundin und wollte mir etwas mitteilen, genauso wie Raul.
„Und jetzt hat dich deine beste Freundin im Stich gelassen!“
„Du lügst! Marion würde so etwas nie tun. Sie lässt mich nie im Stich. Übrigens konnte sie dich und dein affiges Politikergetue nie ausstehen!“
„Sie hat dich im Stich gelassen, mein Liebling. Du musst
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