Die Fotografin
tun dürfen!
Früher habe ich mir die Ohren zugehalten, wenn Gregor wütend wurde und bin in meine Traumwelt geflüchtet, aber jetzt habe ich einen Golfschläger als Waffe. Ich will nicht, dass sich Gregor nähert und mir wehtut. Er will mich verletzen, ja vielleicht will er mich jetzt sogar umbringen.
„Die Scheißpolizistin wird dich wegen Mordes ins Gefängnis stecken!“, brüllt Gregor, wischt sich mit der Hand über seine Stirn und scheint erst jetzt zu bemerken, dass er heftig blutet. „Du hast mich verletzt!“, stammelt er und stiert auf seine blutverschmierte Hand.
„Ich bin keine Mörderin!“, schreie ich, um mir Mut zu machen. „Ich habe Talvin nicht getötet. Du warst es!“
„Adriana, du bist nicht zurechnungsfähig! Es war eine Handlung im Affekt! Glaube mir, alles wird gut. Niemand weiß davon. Das kann unser kleines Geheimnis bleiben. Unser Familiengeheimnis. Für immer. Großes Ehrenwort!“
Gregor legt zwei Finger auf seinen Mund und kommt immer näher. Dabei summt er „Somewhere over the rainbow“.
„Nichts dringt nach draußen, Liebling! Nichts!“
Wieder legt er seine zwei blutigen Fingerspitzen auf seine Lippen.
„Großes Indianerehrenwort!“ Dabei muss er laut auflachen. „Das habe ich zu Paul auch immer gesagt“, erinnert er sich mit einem irren Lachen. „Großes Indianerehrenwort!“
19:00 Uhr
Langsam spüre ich, dass mein Widerstand erlahmt, dass ich wieder von seiner gefährlichen Aura einverleibt werde, bis nichts mehr von mir übrig bleibt außer einer verrückten blonden Frau mit großen blauen Augen. Doch das wird nicht mehr geschehen, denn diesmal bin ich die Stärkere. Ohne Gregor aus den Augen zu lassen, nehme ich mein Handy und rufe das Adressbuch auf. Gut, dass ich Isabelle Wagners Handynummer eingespeichert habe, denke ich und halte mir Gregor mit dem Golfschläger auf Distanz, den ich durch die Luft zischen lasse, als er einen zögernden Schritt nach vorne macht.
„Ich, ich schlage dir den Schädel ein, wenn du noch einmal einen Schritt in meine Richtung machst!“
„Das schaffst du nie!“ Gregor kneift die Augen zusammen und ballt die Fäuste. „Ein Indianer kennt keinen Schmerz, habe ich immer zu Paul gesagt. Indianer sind mutig und fürchten sich nicht vor dem Tod. Sie sind ganze Männer! Paul war ein richtiger Mann. Mein Sohn ist wie ein Mann in den Tod gesprungen!“
„Du bist wahnsinnig! Du bist ja völlig irre! Unser Sohn war ein fünfjähriger Junge, der dich einfach bewundert hat. Er wollte so sein wie sein Vater, obwohl der ein komplexbeladenes Arschloch ist“, schreie ich und endlich habe ich die richtige Nummer. Isabelle Wagner ist meine letzte Chance und ich bete, dass sie zu Haus ist.
Das Telefon klingelt ewig lange und Gregor hat sich in der Zwischenzeit eine Jacke als Schutz gegen meine Schläge um den Arm gewickelt. Er geht also aufs Ganze.
„Kommen Sie, Isabelle Wagner!“, schreie ich mit überkippender Stimme in mein Handy, als Isabelle Wagner nach einer quälend langen Zeit endlich abhebt. „Kommen Sie schnell zu mir. Es gibt einen Mord!“
Ich schleudere das Handy nach Gregors Kopf, der sich reflexartig duckt und mich für den Bruchteil einer Sekunde aus den Augen lässt. Doch diese kurze Zeitspanne genügt. Mit erhobenem Golfschläger und einem markerschütternden Wutschrei stürze ich mich auf Gregor und bin fest entschlossen, ihn zu töten.
21. Mittwoch - nachts
23:00 Uhr
„Vor einigen Wochen wollten Sie einen Mord gestehen. Damals gab es zwar keine Leiche und auch keine Tatwaffe, aber Sie hatten Erinnerungsfetzen. So jedenfalls haben Sie es einer Kollegin geschildert. Jetzt gibt es sogar zwei Leichen und die passenden Tatwaffen. Aber jetzt wollen Sie mit den zwei Morden nichts zu tun haben und streiten alles ab.“
Inspektor Hellwig lehnt sich zurück und verschränkt die Hände in seinem Nacken. Die abgestandene Luft in dem fensterlosen Raum riecht nach Schweiß und kaltem Rauch. Hellwig ist derselbe Inspektor, zu dem Isabelle Wagner mich vor einigen Wochen gebracht hätte, um mein Geständnis zu protokollieren. Insofern hat Hellwig recht, damals wollte ich den Mord an Talvinj gestehen, jetzt weiß ich, wer sein wirklicher Mörder ist: mein Mann!
Hellwig ist ein massiger Typ, trägt ein verschwitztes schwarzes Hemd, das um seinen Bauch ziemlich spannt. Er trägt einen struppigen und ungepflegten Bart, den er sich ständig kratzt. Seine Zähne sind gelb vom vielen Zigarettenrauchen.
Wir sitzen in einem
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