Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition)
Bewegungen und Geräusche verstummten. »Ihr könnt ihn jetzt auf den Lastwagen legen«, sagte Ben Tobbal ganz leise.
Sie gingen zu dem Tiger-Panzer und kletterten hinauf, um einen Blick ins Innere zu werfen. Abgesehen von etwas Ruß auf der Einstiegsluke wirkte er unversehrt, er war nur auf die Seite gekippt, sodass eine Kette in die Luft ragte. Sie waren gespannt darauf, wie das Innere der unbesiegbaren Panzer aussah. Drinnen schwebte ein Geruch, der viel schlimmer war, als der stinkende Rauch der verbrannten Shermans. Der Geruch quoll nicht nach draußen, blieb drinnen, war schwammig, schwer und drückte auf die Seele. Eine grässliche gallertartige Masse bedeckte die Wände, klebte an den Bedienungselementen, überzog die Sitze; eine geschmolzene Masse, aus der Knochen hervorragten, lag wackelnd im hinteren Teil der Kabine. Sie erkannten Uniformfetzen wieder, einen unversehrten Kragen, einen Ärmel, in dem noch ein Arm steckte, einen halben Stahlhelm, in dem etwas Dickflüssiges klebte. Der Gestank füllte das Innere gänzlich aus. Auf einer Seite des Drehturms sahen sie vier Löcher mit glatten Rändern in einer Reihe: die Einschlagstellen der aus der Luft abgefeuerten Panzerabwehrraketen.
Brioude musste sich direkt übergeben; Ben Tobbal klopfte ihm auf den Rücken, als wolle er ihm helfen, seinen Magen zu leeren. »Weißt du, so reagiert man nur beim ersten Mal. Später macht dir das nichts mehr aus.«
Nach ihrer Rückkehr zeichnete Salagnon die Panzer auf der Wiese. Er stellte sie ganz klein vor dem Horizont dar, über die Wiese verteilt, und eine riesige Rauchwolke bedeckte den größten Teil des Blattes.
Tatsächlich wurden sie dem Feldlazarett zugeteilt, unter dem Befehl des gutmütigen Stabsarztes. Der Colonel war nervös vor Ungeduld, aber Naegelin tat, als erinnere er sich nicht an seinen Namen und als habe er seine Anwesenheit vergessen. Und so kümmerten sich die Maquisarden um die Verwundeten, die im schattigen Zelt in Feldbetten warteten. Sie warteten darauf, in Krankenhäuser der freien Städte verlegt zu werden, sie warteten darauf zu genesen, sie warteten im zu heißen Schatten des Feldlazaretts; sie verscheuchten die Fliegen, die um die Laken kreisten, sie betrachteten stundenlang die Segeltuchdecke, wenn sie noch imstande waren, sie zu sehen, und ließen verbundene, manchmal rot befleckte Gliedmaßen neben sich ruhen.
Salagnon setzte sich neben sie und zeichnete ihre Gesichter, ihren nackten, von einem Laken umgebenen Oberkörper, ihre weiß umwickelten verwundeten Gliedmaßen. Ihm als Modell zu dienen, erleichterte sie, ihre Unbeweglichkeit bekam dadurch einen Sinn, und ihn beschäftigte das Zeichnen. Er gab ihnen anschließend die Zeichnung, die sie sorgsam in ihrem Gepäck aufbewahrten. Kaloyannis ermunterte ihn, oft zu kommen und ließ ihm über die Verwaltung schönes, gekörntes Papier, Bleistifte, Zeichenfedern, Tusche und sogar kleine weiche Pinsel liefern, die dazu dienten, die Bestandteile der Zielvorrichtungen zu ölen. »Meine Verwundeten genesen schneller, wenn man sie ansieht«, sagte er zum Versorgungsoffizier, der das schöne weiße Papier nicht weggeben wollte, das für offizielle Bekanntmachungen und ehrenvolle Erwähnungen vorgesehen war; und so erhielt er für Salagnon alles, was dieser zum Zeichnen brauchte, eine Tätigkeit ohne klar definierten Zweck, die aber seltsamerweise alle interessierte.
Kaloyannis operierte, verband und pflegte die Verwundeten im Feldlazarett; er überließ den muslimischen Krankenpflegern die Aufgabe, jene Spritzen zu geben, die, wenn sie mit Takt verabreicht werden, ein Totengebet ersetzen. Er hatte sich eine Ecke in dem Zelt eingerichtet, wo er sich in den heißen Stunden ausruhte oder mit einigen Offizieren, vor allem Franzosen aus dem Mutterland, plauderte. Er ließ sich von Ahmed einen nach Minze riechenden Tee servieren. Die Einrichtung bestand nur aus einem Teppich und Sitzkissen, einer Tuchwand ringsumher und einem Messingtablett, das auf einer Munitionskiste ruhte; als der Colonel das Segeltuch zur Seite geschoben hatte, rief er mit aufrichtiger Freude: »Sie haben ja ein Stückchen von dort mitgebracht!« Und dann schob er sein himmelblaues Käppi nach hinten; das verlieh ihm ein verwegenes Aussehen, das Kaloyannis zum Lächeln brachte.
Der Colonel kam oft mit unbeschäftigten Maquisarden und vor allem mit Salagnon in den maurischen Salon des Arztes. Sie setzten sich auf die Kissen, tranken Tee und hörten Kaloyannis zu, der für
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