Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition)
treiben. Leute, die friedlich die Straße entlanggingen und die überfallen, ausgeplündert und in den Fluss geworfen worden sind. Sehen Sie, so sind die Straßen in diesem Land! Jeden Tag passieren dort grässliche Dinge.«
Schwimmende Leichen trieben an den drei LCT s entlang, die den Fluss hinauffuhren, manche allein, andere in Gruppen zusammengeballt, manche trugen eine bräunliche Uniform, aber man konnte sich dessen nicht sicher sein, denn die Kleider glichen sich hier sehr, und außerdem war alles nass, aufgebläht, von gelbem Wasser vollgesogen, sie trieben in der Ferne vorüber, und niemand würde die Sache überprüfen. Das dumpfe Tuckern der Dieselmotoren ging weiter und auch das Keuchen der Matrosen mit den Bootshaken.
»Ich würde wirklich gerne das Meer wiedersehen«, flüsterte der Kapitän, als der grausige Schwarm aus dem Blickfeld verschwunden war. Er ließ die Bordwand aus Metall los, und Salagnon konnte durch die trockene Haut seiner Wangen hindurch erkennen, wie es in seinem Inneren aussah: Die Muskeln seiner Kinnbacken pochten wie ein Herz, und die Zunge rieb wie besessen an den Zähnen. Er drehte sich auf dem Absatz um und schloss sich in der schmalen Kabine neben den Motoren ein, Salagnon sah ihn bis zum Ende der Reise nicht wieder. Vielleicht versuchte er zu schlafen; vielleicht gelang es ihm.
Weiter flussaufwärts fuhren sie an einem in Brand gesetzten Dorf vorbei. Es rauchte noch, aber alles war schon verbrannt, die Strohdächer, die Bambuspalisaden, die Wände aus geflochtenem Holz. Es blieben nur geschwärzte senkrechte Pfeiler übrig und von geköpften Palmen und Schweinekadavern umgebene rauchende Haufen. Versenkte Boote ragten aus dem Wasser.
Ein in dieser Gegend völlig unerwarteter großer schwarzer Citroën tauchte, ganz wie in Frankreich, auf dem Deich auf; er fuhr langsam auf dem Weg am Rand des Ufers, auf dem sonst nur die Büffel liefen, in dieselbe Richtung wie die Schiffe. Sie fuhren eine Weile im gleichen Tempo, der Wagen wurde von einer Staubwolke verfolgt, doch dann hielt er plötzlich an. Zwei Männer in kurzärmligen geblümten Buschhemden stiegen aus und zogen einen schwarz gekleideten dritten Mann hinter sich her, dessen Hände auf dem Rücken gefesselt waren, einen Vietnamesen mit dichter Mähne und einer dicken Strähne, die ihm in die Stirn fiel. Sie hatten ihm die Hand auf die Schulter gelegt und führten ihn ans Ufer, wo sie ihn hinknien ließen. Einer der Männer im Sporthemd hob eine Pistole und schoss ihm eine Kugel in den Hinterkopf. Der Vietnamese kippte vornüber und fiel ins Wasser; vom Schiff hörten sie den gedämpften Schuss erst anschließend. Die Leiche schwamm auf dem Bauch, blieb zunächst in der Nähe des Ufers, wurde dann von der Strömung erfasst und begann fortzutreiben, sie entfernte sich vom Ufer und glitt flussabwärts. Der Mann im geblümten Buschhemd steckte die Waffe in die Tasche seiner Leinenhose und hob die Hand, um die LCT s zu grüßen. Die Soldaten erwiderten den Gruß, manche lachten dabei und schrien Hurra, was er möglicherweise hören konnte. Die beiden Männer gingen zu ihrem Wagen zurück und verschwanden hinter dem Deich.
»Die Sicherheitspolizei«, murmelte Moreau.
Salagnon spürte, wenn Moreau sich näherte, denn der kämmte sich morgens sorgfältig, zog den Scheitel schnurgerade und strich das Haar mit Brillantine ein, die in der Hitze schmolz. Wenn Moreau kam, roch es wie in einem Frisörsalon.
»Hast du geschlafen?«
»Ich habe auf meinem Gepäck gedöst, zwischen meinen Thai. Sie schlafen, sie können überall schlafen; aber sie tun es wie die Katzen. Als ich mit möglichst wenigen Bewegungen und völlig lautlos aufgestanden bin – ich war richtig stolz auf diese Leistung –, sah ich, wie meine beiden Nachbarn, ohne die Augen zu öffnen, ihren Dolche fester umklammerten. Selbst im Schlaf kriegen sie alles mit. Ich muss noch einiges dazulernen.«
»Woran erkennst du die Typen von der Sicherheitspolizei?«
»Am Citroën, der Knarre in der Hosentasche und dem weiten Hemd. Sie zeigen sich, sie sind die Honoratioren des Verbrechens, sie sind hier die Kings. Sie schnappen Typen, verhören sie und legen sie um. Sie verstecken sich nicht, fürchten nichts, bis sie selbst umgelegt werden. Dann gibt es ein paar Repressalien und anschließend geht alles weiter wie zuvor.«
»Und hat das irgendeinen Nutzen?«
»Sie sind von der Polizei, sie sammeln Informationen für den Nachrichtendienst, das ist ihr Beruf. Denn wenn
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