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Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition)

Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition)

Titel: Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexis Jenni
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in botanischen Gärten gedreht worden. Diesem in Büchern beschriebenen Wald sagt man eine bewundernswerte Fruchtbarkeit nach; man glaubt, er wachse einer gewissen Ordnung entsprechend, sodass man sich mit dem Haumesser in ihm voran bewegen könne, mit überschäumender Freude im Herzen und der Spannung der Eroberung im Bauch, triefend vom angenehmen Schweiß der Anstrengung, den ein Bad im Fluss abwaschen wird. Doch in Wirklichkeit sieht alles ganz anders aus. Von innen gesehen ist der Wald in Indochina ziemlich mies, eher dürftig und nicht einmal grün. Aus dem Flugzeug wirkt er flauschig; aus der Ferne kompakt; aber was für eine karge Unordnung bietet sich einem, wenn man zu Fuß zwischen den Bäumen umherläuft! Sie wachsen in wildem Durcheinander, nicht zwei Bäume nebeneinander ähneln sich, jeder stützt sich halb erstickt auf den anderen, alle sind krumm und klammern sich an sämtliche Äste, die sie erreichen können, alle gedeihen nur schlecht auf einem armseligen, zu mageren Boden, sie wachsen in alle Richtungen, in jeder Höhe, und sie sind nicht grün. Die grauen Stämme tun alles, um gerade zu bleiben, die kranken, ockerfarbenen Äste sind ineinander verflochten, ohne dass man weiß, zu welchem Baum sie gehören, das durchlöcherte Laub, das mit Grau überpudert zu sein scheint, hat Mühe, dem Himmel entgegenzustreben, die braunen Lianen versuchen alles zu behindern, was über sie hinauswächst, alles keimt mit einer Hast, die eher an Krankheit und Flucht als an harmonisches Wachstum denken lässt.
    Man stellt sich einen dichten Wald vor, tatsächlich handelt es sich um eine Abfallgrube. Der Boden, auf dem man geht, ist kein fruchtbarer Schoß, sondern er ist mit herabgefallenen Überresten übersät. Die Füße verfangen sich in Wurzeln, die in halber Höhe aus den Stämmen hervorkommen, die Stämme sind mit Fasern bedeckt, die sich zu Dornen verhärten, die Ränder der Blätter sind mit Dornen bedeckt, die Blätter werden zu etwas anderem als Blätter, sie sind zu wachsartig, zu weich, zu groß, zu vollgesogen, zu gezackt, je nachdem; die einzige Gemeinsamkeit besteht in dem Wort »zu«. Die feuchte Hitze löst jegliches Fassungsvermögen auf. Insekten sirren unentwegt in kleinen Schwärmen, sie folgen jeder Quelle von warmem Blut oder rascheln auf Blättern oder kriechen als Äste getarnt herum. Eine unglaubliche Vielzahl von Würmern befindet sich im Boden, es wimmelt von ihnen, sodass die Erde sich bewegt. Man ist in Indochina im Wald eingeschlossen wie in einer Küche mit geschlossenen Türen, geschlossenen Fenstern, ohne Lüftung, während auf allen Flammen des Herds in großen Töpfen ohne Deckel das Wasser brodelnd kocht. Der Schweiß rinnt schon bei den ersten Schritten hinab, die Kleider sind durchnässt, die Bewegungen zerfließen unter den Anstrengungen; man rutscht auf dem aufgeweichten Boden aus. Trotz der hygrothermischen Energie, die von allem aufsteigt, aus den Körpern hervordringt, vermittelt der Wald vor allem den Eindruck krankhafter Armut.
    »Durch den Wald gehen« hat nur im europäischen Urwald einen gesunden, fröhlichen Sinn: durch einen Wald, in dem sich gleichartige Bäume aneinanderreihen, in dem der frische, trockene, elastische Boden ein wenig unter den Schritten knackt, und in dem man den Himmel zwischen den Laubkronen sieht und noch während man ihn betrachtet, weitergehen kann, ohne befürchten zu müssen, über furchtbar unordentliche Dinge zu stolpern. »Durch den Wald gehen« hat in Indochina nicht denselben Sinn, denn man denkt dabei an riesige Schimmelpilze, die auf großen Haufen von verfaultem Gemüse wachsen. Man geht dort nicht spazieren, sondern übt einen Beruf aus. Für manche bedeutet das, Kautschukbäume anzuzapfen, andere sammeln wilden Honig ein, wieder andere suchen dort nach Fundstätten von seltenen Steinen oder fällen dicke Teakbäume, die bis zum Fluss gezogen werden müssen, damit man sie abtransportieren kann. Man verirrt sich darin, man stirbt dort an Krankheiten, man tötet einander. Salagnons Arbeit besteht darin, die Vietminh aufzuspüren und die Sache, wenn möglich, lebendig zu überstehen. Wenn möglich aus diesem Schimmel wieder herauszukommen, wenn möglich, sagt er immer wieder zu sich selbst. Alles hier trägt dazu bei, das Leben zerbrechlich und abscheulich zu machen. Er bedauerte es nicht, den größten Teil des Wegs mit dem Schiff zurückzulegen.
    Der Name Landing Craft Tank , abgekürzt LCT , passt schlecht zu den Schiffen, die

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