Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition)
rieselten.
»Und hilft Ihnen das?«, fragte Salagnon zerstreut, während sich sein Blick in der Landschaft verlor.
»Sie müssen wissen, dass mein Platz sehr viel gefährdeter ist als der Ihre.«
»Sind Sie sicher?«
»Die Statistiken, Herr Hauptmann. Es sterben viel mehr Fahrer als Fallschirmjägeroffiziere. Aber während wir in einem brennenden Lastwagen mit dem Arsch auf der Sitzbank und auf dem Steuer liegend sterben, erwischt es Sie mit verschränkten Armen draußen unter freiem Himmel, da liegen Sie mit einer Kugel in der Stirn auf dem Rücken.«
»Wenn wir Schwein haben«, erwiderte Salagnon lächelnd.
»Bildlich gesprochen. Aber aus einem Hinterhalt zielt man zunächst immer auf den Fahrer; das hält den Lastwagen an und die ganze Kolonne dahinter, anschließend kann man alles mit dem Maschinengewehr beharken, ohne sich bewegen zu müssen. Der Erste, den es erwischt, bin ich, der Typ am Steuer. Wenn ich so unterwegs bin, tut mir manchmal der Kopf bei dem Gedanken weh, dass er so gefährdet ist.«
»Daher die Panzerung?«
»Ich hätte gern noch mehr Eisenplatten angebracht, aber ich muss ja die Straße sehen. Um mich zu kriegen, müssen sie jetzt schon eine Waffe von guter Qualität haben und gut zielen. Ich bin nicht mehr ein ganz so leichtes Ziel, ein bisschen schwerer zu erreichen; sie werden versuchen, einen anderen Typen aufs Korn zu nehmen, in einem anderen Lastwagen. Statistisch gesehen entgehe ich ihnen.«
»Sie sind allerdings sehr methodisch«, sagte Salagnon lachend.
»Und Schmied. Sehen Sie sich das an, das ist handgeschneidert. Eine ein Zentimeter dicke Eisenplatte, die auf den Millimeter genau angepasst ist. Das ist Qualitätsarbeit, Herr Hauptmann.«
Sie kamen an Chambol vorbei, der am Straßenrand in seinem geparkten Jeep stand. Er hielt sich an der Windschutzscheibe fest und betrachtete ein Dorf weiter unten, das flach einfallende Abendlicht verlieh seinem Gesicht die scharfen Züge einer Kriegerstatue. Er rührte sich nicht.
»Was macht der denn hier, dieser Idiot?«
Salagnon grüßte ihn mit einer leichten Fingerbewegung, worauf Chambol mit einer fast unmerklichen Kinnbewegung antwortete. Zwei Halbketten-Schützenpanzer blockierten die Einfahrt des Dorfes. Ein paar junge Landser standen mit verrutschtem Stahlhelm hier und da untätig herum und hielten ihr Gewehr wie einen Besen in den Händen, sie wirkten wie Kinder in ihrer zu weiten Hose. Die Sonne näherte sich dem Horizont, in der Luft schwebende Staubkörner nahmen kupferfarbene Spiegelungen an, in den jungen Gesichtern der Soldaten war eine ähnliche Mattheit. Sie blieben da, wo man sie hingestellt hatte, wussten nicht, was sie tun sollten. Salagnon stieg aus. In der drückenden Abendluft, von der niedrig stehenden Sonne erhitzt, die ihn zwang, die Augen zusammenzukneifen, konnte er die Fliegen hören. Sie ließen die zähe Bernsteinmasse widerhallen, in der sie alle erstarrt waren, die schweigenden, reglosen Soldaten, die ihr Gewehr ungeschickt hielten. Die Schützen der Halbkettenpanzer umklammerten den Griff der Maschinengewehre, blickten geradeaus und regten sich ebenso wenig. Er hörte Geschrei; jemand brüllte etwas auf Französisch, jedoch zu laut für seine Stimmbänder, Salagnon verstand nicht, was der Mann schrie. Mehrere Leichen lagen auf den Kieseln zwischen den Häusern. Von dort kam das Summen der Fliegen. Über ihnen war eine Reihe unregelmäßiger Löcher in der Lehmwand zu sehen; die Maschinengewehrkugeln durchschlugen sie ohne Schwierigkeit und rissen dabei Stücke trockener Erde ab. Ein Unteroffizier brüllte einen auf der Erde liegenden Araber an, einen alten, vor Angst erstarrten Mann, der etwas Unverständliches zwischen den wenigen, ihm noch verbliebenden Zähnen murmelte. Mehrere Landser sahen der Szene zu, manche von ihnen mit den Händen in den Taschen, keiner von ihnen sagte etwas oder wagte es, eine Bewegung anzudeuten. Der Unteroffizier versetzte dem alten Mann einen Fußtritt nach dem anderen und brüllte mit sich überschlagender Stimme. Schließlich begriff Salagnon, was er schrie: »Wo ist er? Wo ist er?«
»Unteroffizier, suchen Sie etwas?«
Der Unteroffizier richtete sich mit funkelnden Augen auf, in seinen Mundwinkeln hing noch etwas Schaum, weil er so lange gebrüllt hatte, ohne Atem zu holen.
»Ich suche den Dreckskerl, der uns den falschen Hinweis gegeben hat. Ich habe vier Soldaten bei dieser Sache verloren, vier junge Männer, und ich will diesen Dreckskerl
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