Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition)
wiederfinden.«
»Weiß er etwas?«
»Sie wissen alle etwas. Aber sie sagen nichts. Sie decken sich gegenseitig. Aber ich werde ihn finden und ihn zur Rede stellen. Dieser Dreckskerl wird es büßen. Und wenn ich das Dorf dem Erdboden gleichmachen muss, damit sie büßen, dann tue ich das. Man muss es ihnen zeigen. Man darf nichts durchgehen lassen.«
»Lassen Sie diesen Mann in Ruhe. Er weiß nichts. Er versteht nicht mal Ihre Fragen.«
»Er weiß nichts? Dann können wir ja gleich Schluss machen, Sie haben recht.«
Er holte seine Dienstpistole aus dem am Gürtel befestigten Etui, richtete sie ohne zu zögern auf den alten Mann und schoss. Das Blut, das aus dem Schädel spritzte, besudelte die Schuhe des in unmittelbarer Nähe stehenden Soldaten, der zusammenzuckte die Augen aufriss und die auf dem Gewehrgriff verkrampften Finger bewegte, sodass eine Kugel in den Boden ging, Staub aufwirbelte und ihn schüttelte. Er errötete, als wäre er bei einem Fehler ertappt worden, und flüsterte eine Entschuldigung. Salagnon war mit einem Schritt bei dem Unteroffizier, der ihn mit leerem Blick anstarrte und stark nach Alkohol roch. Er versetzte ihm einen Kinnhaken. Der Mann stürzte zu Boden und rührte sich nicht mehr.
»Machen Sie die Straße frei. Fahren Sie Ihre Kettenschlitten an den Rand.«
Die Fahrer der Halbketten-Schützenpanzer befolgten seinen Befehl in einer Wolke aus Dieselabgasen, und die Soldaten wichen zu Seite. Salagnon stieg wieder in den Lastwagen. Sie fuhren langsam durch das Dorf, vermieden Schlaglöcher und große Steine, die ihnen im Weg lagen. Der ununterbrochene Lärm der Fliegen verschmolz mit dem der starken Motoren. Der Unteroffizier lag noch immer am Boden. Die benommenen Soldaten rührten sich nicht, der Lauf ihrer Gewehre war auf die Erde gerichtet, und sie kniffen die Augen in der Abendsonne zusammen. Die auf der Erde liegenden Leichen verschwanden im Schatten.
»Die brauchen nur noch ein bisschen aufzuräumen«, knurrte Salagnon. »Das können sie auch ohne uns.«
»Die machen keinen sehr aufgeweckten Eindruck«, bemerkte der Fahrer.
»Man befiehlt ihnen grässliche Dinge zu tun, ihre direkten Vorgesetzen sind Idioten, und den Oberbefehl hat ein Oberst, der sich seine Sporen vor allem auf Opernbällen verdient hat, und der Auftrag, den sie haben, ist alles andere als klar. Man wird uns noch lange dafür hassen.«
1958 übernahm der große Epenschreiber wieder die Leitung des Staates. Er war Militärschriftsteller, wie es sie zur Zeit des Kaiserreichs oder im 17. Jahrhundert gegeben hat: die mit einem roten Stift große Offensiven auf Landkarten eintragen, sich in jedem ihrer Feldquartiere Maitressen widmen, das Heer auf den Straßen so gut kennen wie die Meute von Hunden für die Fuchsjagd, die ostentativ dem Willen des Prinzen gehorchen, aber bei einem Feldzug nur nach ihrem eigenen Willen handeln, die am Vorabend großer Schlachten brillante Briefe schreiben und gegen Ende ihres Lebens dickbändige Memoiren . Doch der Mann, der die Leitung des Staates wieder übernahm, hat nie einen Krieg angeordnet, sich nie mit einer Maitresse gezeigt und keinen Prinzen gefunden, dem er hätte gehorchen können.
1958 setzten die Militärs den großen Epenschreiber an die Spitze des Staates, an eine Stelle, an der nur Platz für einen einzigen ist. Es ist seltsam, dass man an den für einen Prinzen vorgesehenen Platz einen Soldaten setzte. Es ist seltsam, dass man einen Soldaten nahm, der nicht kämpfte, dessen Genie in seinem virtuosen Umgang mit Worten bestand und der sich mit außerordentlichem literarischem Talent hartnäckig emporgearbeitet hatte. Sein grandioses Werk beschränkte sich nicht nur auf Bücher; es drückte sich vor allem in seinen Reden aus, die den Rang von Theaterstücken hatten, in seinen Ansprachen, die Orakeln glichen, und in der außerordentlichen Fülle von Anekdoten, die man ihm zuschreibt, und von denen die meisten nicht authentisch sind, denn er hätte nie die Zeit gehabt, sie alle zu erzählen, aber auch sie sind Teil seines Werks. Der große General ohne Soldaten, der mit Worten zu operieren verstand, hatte eine ausgeprägt epische Ader. Er machte in seinen Büchern davon Gebrauch und sogar im Geist jener, die ihn lasen. Der Geist der Franzosen war das eigentliche Werk des großen Epenschreibers: Er schrieb sie neu, die Franzosen waren sein großes Epos. Das liest man noch heute. Er war geistreich, das ist die französische Art, sich der Worte zu bedienen, um für
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