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Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition)

Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition)

Titel: Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexis Jenni
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über das verbrauchte Linoleum, sie gingen mit mechanischen Schritten dem Schlaf entgegen. Die vom Einsatz zurückkehrenden Männer waren nur noch ein Schatten ihrer selbst: Mit roten Augen, vor Schmutz starrendem Kampfanzug, von Schweiß verklebter Haut liefen sie wie eine zögernde Herde ihrer Stube entgegen, zu dem Eisenbett, auf dem sie sich in ein Laken rollen und nicht mehr rühren würden. Und diesmal kamen sie fast vollzählig wieder, brauchten nicht die Last der Toten zu schleppen, nur drei und sich selbst, ihr eigenes müdes Fleisch, ihre im Dunkeln glänzende, mit zu viel Blut reingewaschene Seele. Alles war im Grunde gut verlaufen, sie hatten den Gegner überraschen können, waren nicht überrascht worden, waren fast vollzählig wiedergekommen. Im Grunde. Das trübe Licht des Quartiers erlaubte nicht, sie zu unterscheiden, hob die Höcker ihres Schädels, die tiefen Schatten ihrer Züge hervor, verlieh ihren verzerrten Lippen eine krampfhafte Bewegung; ihre tief in den Höhlen liegenden Augen waren nicht mehr zu erkennen. Sie waren müde, voller Selbstverachtung, doch sie hielten zusammen wie Pech und Schwefel, stützten sich gegenseitig, Schulter an Schulter. Sie wollen schlafen, dachte Salagnon, nur noch schlafen. Ich sehe, wie sie in diesem gelblichen Licht, in dem Insekten schwirren, ins Quartier zurückkehren, ich sehe, wie sie mit schlurfenden Schritten durch diesen erbärmlichen Gang laufen und nur noch an Schlaf denken, diese selbstbewusste Herde, sie sehen aus wie Zombies, und ich bin ihr Chef. Es ist Nacht, bald wird es Morgen, wir kehren in die Gruft zurück und ich werde sie, wenn der letzte hinabgestiegen ist, wieder mit der Grabplatte verschließen, damit wir den Tag darin verbringen können. Ich lebe weiter, obwohl ich eigentlich tot sein müsste, das ist der Grund für diesen starken Schweiß, der mich umgibt wie Grabesdünste, ich bin in Indochina getötet worden, ganz plötzlich aus allernächster Nähe, während ich einen Hähnchenfuß aß, eigentlich dürfte ich nicht hier sein. Dennoch mache ich weiter. Wir machen alle weiter, obwohl wir eigentlich nicht da sein dürften; niemand kann das überstehen, was wir erleben und was wir tun, niemand kommt ungeschoren davon, dennoch machen wir weiter, wir sind die Armee der Zombies, die sich auf der Erde ausbreitet und Verwüstung hervorruft. Gesättigt kehren wir in das Grab zurück, um den Tag darin zu verbringen; in der folgenden Nacht kommen wir wieder hervor, um Blut zu wittern. Wie lange das noch dauern soll? Bis wir zu Staub werden wie die ausgedörrten Toten, die man in der Wüste findet und die, wenn man sie unsanft bewegt, zu Sand zerfallen. Das Wasser musste geleert werden, bis zum letzten Tropfen, das war so beschlossen worden. Der Boden musste trocken sein, damit kein Fisch überleben konnte; damit nur noch Staub übrig blieb. Wir haben es getan: Und gegen Ende der Nacht kehrten wir wieder in die Gruft zurück, um den Tag darin zu verbringen.
    »Kugelsicher«, sagte er. »Ich habe es getestet. Vielleicht nicht auf zehn Meter, aber da sieht man ja sowieso gut genug; jedenfalls hält es einem Feuerstoß eines Maschinengewehrs aus fünfzig Meter Entfernung stand, das habe ich überprüft. Es kann sein, dass mal eine Kugel durchschlägt, aber grundsätzlich habe ich gute Chancen.« Der Fahrer klopfte auf die Eisenplatte, die er auf die Tür geschraubt hatte, eine zweite bedeckte den oberen Teil der Windschutzscheibe wie eine Sonnenblende. »Kugelsichere Scheiben wären mir lieber«, fuhr er fort, »aber ich bin kein Staatsoberhaupt. Kugelsicheres Glas findet man nicht in der Werkstatt eines normalen Sterblichen.«
    Er war hergekommen, um Salagnon und seine Männer nach dem zweitägigen Einsatz abzuholen. Salagnon genoss den kühlen Abendwind, der durch das offene Fenster hereindrang, er führte Sand und getrockneten Schweiß mit sich, die sich als kleine weiße Kristalle auf seinem Gesicht und seinem ausgeblichenen Kampfanzug absetzten.
    »Ich bin Schmied, ich bin ein methodischer Mensch«, sagte der Fahrer zu ihm, ohne die Straße aus den Augen zu lassen. Er musste die Schlaglöcher überwachen, damit der Lastwagen nicht zu sehr holperte, denn was man hier eine Straße nannte, war eine unbefestigte Fahrbahn aus mehr oder weniger zerkleinerten oder zermalmten Steinen, die während der Sommergewitter massenweise fortgeschwemmt wurden und während der langen Regenfälle im Herbst ganz plötzlich einstürzten oder in den Abgrund

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