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Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition)

Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition)

Titel: Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexis Jenni
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meistens, du kannst dir nicht vorstellen, wie ermüdend das ist. Ich bin nicht böse darüber, dass das aufhört.«
    »Ben Tobbal, du bist nur ein Gefangener.«
    Darüber musste er wieder lächeln; aus der Hocke blickte er den Hauptmann der Fallschirmjäger an, der sich liebevoll zu ihm hinabbeugte.
    »Erinnerst du dich noch an deinen Kameraden in Frankreich? Er war der einzige Franzose, der mich nach meinem Namen gefragt hat. Die anderen begnügten sich mit einem Vornamen, um einen Araber zu bezeichnen. Und man hat mich geduzt, weil behauptet wird, dass man sich in unserer Sprache duzt, dabei spricht keiner von denen, die das sagen, meine Sprache; die Franzosen wissen so viel über uns. Sie sprechen kein Arabisch, aber sie erkennen einen Araber sofort wieder.«
    Herboteau musterte Ben Tobbal mit verschlossenem Gesicht, und seine Finger verkrampften sich mit nervösen Bewegungen, als habe er Mühe sich zu beherrschen.
    »Was sollen wir mit ihm anfangen, Herr Hauptmann?«, fragte er, ohne ihn aus den Augen zu lassen.
    »Wir überstellen ihn, damit er verhört werden kann. Er ist Gefangener.«
    Herboteau seufzte.
    »So ist das nun mal, Oberleutnant«, sagte Salagnon mit Nachdruck. »Nachdem es ausnahmsweise mal zu einem Gefecht gekommen ist, anstatt wie üblich zu einer Metzelei in einem dunklen Winkel, befolgen wir die Kriegsgesetze.«
    »Was für Gesetze?«, knurrte Herboteau.
    »Die Gesetze.«
    Salagnon holte seine Feldflasche hervor und reichte sie dem auf dem Boden hockenden Gefangenen; Ahmed trank mit einem Seufzer und wischte sich den Schnurrbart ab.
    »Danke.«
    »Man wird dich abholen.«
    Der Hubschrauber landete und blieb ein paar Minuten dort, bis die Verletzten, die Toten und dieser Gefangene eingeladen waren. Mariani, der seine Sonnenbrille aufbehielt, obwohl es schon Abend war, stand gebeugt im Wind der Rotorblätter und nahm die Mappe aus abgegriffenem Leder entgegen, die kleine Buchhaltermappe, in der sich alle erbeuteten Papiere der Nationalen Befreiungsfront FLN befanden, Formulare, Listen und Karten.
    »Das ist wohl alles«, sagte er und sah zu, wie Ben Tobbal auf den Hubschrauber zuging.
    Er kletterte mit gefesselten Händen ungeschickt in die Maschine. Bevor er im Cockpit verschwand, grüßte er Salagnon noch einmal mit einer hilflosen Geste, wie mit einem Augenzwinkern.
    »Für alles andere bist du jetzt verantwortlich«, sagte Salagnon.
    »Kein Problem«, erwiderte Mariani und klopfte auf die Mappe, dann stieg er in die Maschine, die mit lautem Lärm startete.
    Ein frischer Wind wehte von den Kämmen herab, der violette Himmel wurde immer dunkler, der Hubschrauber gewann an Höhe, bis er von den letzten Sonnenstrahlen getroffen wurde, die sich rötlich auf ihm widerspiegelten; er flog in Richtung Algier. Die Sonne war inzwischen untergegangen, am parmafarbenen Himmel sahen sie, wie eine Silhouette aus der Maschine fiel, durch die Luft wirbelte und zwischen den dunklen Hügeln verschwand. Der Hubschrauber wich nicht von seinem Kurs ab und verschwand in der dunklen Luft. Es war nichts mehr zu hören.
    »War Ihnen klar, dass das so enden würde?«, fragte Herboteau.
    »Bei Mariani musste man damit rechnen. So, und jetzt fahren wir zurück.«
    Die Lastwagen waren gekommen, um sie abzuholen. Die aufgeblendeten Scheinwerfer erleuchteten die leere, steinige Straße. Herboteaus Finger verkrampften sich nicht mehr. Trotz der Erschöpfung konnte er im Fahrerhaus nicht schlafen, wie es die anderen auf den Bänken der Ladefläche taten, obwohl sie hin und her geschüttelt wurden. Er döste vor sich hin, ein Brechreiz hinderte ihn daran, die Augen zu schließen. Die Straße war so holprig, dass er sich schließlich durchs Fenster erbrach, woraufhin der Fahrer ihn anschnauzte, ohne jedoch anzuhalten.
    »Ist Ihnen übel, Herboteau?«, fragte Salagnon, als sie am Ziel waren.
    »Ja, Herr Hauptmann. Aber es ist nichts Ernstes.«
    »Meinen Sie, es geht wieder?«
    »Ja.«
    »Na gut; schlafen Sie.«
    Bald würden sie schlafen können. Sie waren derart erschöpft vom Wachen, von den Märschen, vom Warten und von dem plötzlich ausbrechenden Kampf, der sie mit einem Schlag zu außerordentlichen, atemraubenden Taten anstachelte, dass sie jetzt nur noch von Stränden, kühlem Bier und Betten träumten. Sie waren wie gerädert. Der von schwachen Birnen nur notdürftig erleuchtete Gang zu den Zimmern in ihrem Quartier kam ihnen sehr lang vor, sie sahen sein Ende nicht, ihre staubigen, abgetretenen Gummisohlen schlurften

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