Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition)
Wurzeln meiner Sprache nicht in solche Tiefen der Zeit hinabreichten. Daher stellte ich ihnen Fragen, eindeutige Fragen über Damals. Sie antworteten mir, dann angelten wir weiter. Wir aßen und tranken. Die sanften Sonnenstrahlen hielten uns warm, ohne uns je die Haut zu verbrennen. Unser Fang war lächerlich gering. Aber wir leerten alle Flaschen, die wir mitgenommen hatten.
»Und was ist aus dem Deutschen geworden?«
»Er ist dort gestorben, mit den anderen. Das Material, die Leute, alles war aus zweiter Hand, und das hielt nicht lange; alles war schnell hinüber. Wir haben einen Krieg mit Trödelwaren geführt, mit überzähligem Heeresgut aus anderen Kriegen, mit amerikanischen Waffen, desertierten Soldaten aus anderen Armeen, umgeänderten englischen Uniformen, Männern, die in den Reihen der Résistance gekämpft hatten und Offizieren, die einen Namen mit Adelsprädikat trugen und von Heldentaten träumten: Alles war Secondhandmaterial, das nicht mehr gebraucht wurde. Er ist in seiner Scheiße gestorben, dort, wohin sein Schicksal ihn verschlagen hatte. Er war in Dien Bien Phu in einem Schützengraben mit seinen teutonischen Legionären, er hat den Mörsern und den Sturmangriffen standgehalten, aber als sie die Stellung nicht mehr halten konnten, ist er mit den anderen in Gefangenschaft geraten. Sie haben ihn in den Dschungel mitgenommen und er ist in einem dieser Lager an Ruhr gestorben. Man starb sehr schnell in diesen behelfsmäßig eingerichteten, kaum bewachten Lagern, man starb an einem Schwächeanfall, an Unterernährung, an Selbstaufgabe. Man bekam Tropenkrankheiten, aß Reis mit etwas Grünzeug, und ab und zu getrockneten Fisch.«
»Waren Sie auch in Gefangenschaft?«
»Mariani, ja. Ich nicht. Er ist auch in Dien Bien Phu gefangen genommen worden, aber er hat überlebt. Er war nicht mehr der kleine junge Kerl wie zu Anfang, sondern war abgehärtet und fuchsteufelswild geworden, das hilft, um nicht unterzugehen. Ich war bei seiner Rückkehr dabei, als man uns die Gefangenen zurückgab, es waren nicht viele, und die meisten bis auf die Knochen abgemagert: Er marschierte hinter den Generälen Bigeard und Langlais her, abgemagert und mit wirrem Blick, aber das Barett schräg auf dem Schädel sitzend wie bei einer Parade; sie marschierten alle im Gleichschritt, obwohl sie kurz vor dem Umfallen waren, er mit nackten Füßen auf dem Lehmpfad vor den Offizieren der Vietminh, die sich nichts anmerken ließen. Er wollte es ihnen zeigen.«
»Ich war in Form, als ich in Gefangenschaft geriet. Der Deutsche auch, aber er hatte schon zu lange keinerlei Verbindung mehr zu irgendetwas gehabt. Er hatte die Nase voll, glaube ich, und darum hat er aufgegeben. Die Typen, die ganz allein da waren und einfach nur warteten, ohne irgendwas, das sie aufrechterhalten hätte, starben sehr schnell. Mich hat die Wut am Leben gehalten.«
»Und Sie, Salagnon?«
»Ich? Ich wäre fast dabei gewesen. Ich habe mich freiwillig gemeldet, um sie zu unterstützen. Wir waren eine ganze Menge, die an der Schlacht teilnehmen wollten, kurz bevor es zu Ende ging. Mit wunderbarer Inkonsequenz wurde uns das zugesagt. Ich war für den letzten Flug vorgesehen, wir waren schon auf der Startbahn, mit dem Fallschirm auf dem Rücken und dem Helm auf dem Kopf, die Hälfte von uns war noch nie abgesprungen. Wir sind ins Flugzeug geklettert, und plötzlich sind die Motoren stehen geblieben. Eine Panne. Wir mussten wieder austeigen. Und als sie wieder repariert waren, hatten wir die Schlacht von Dien Bien Phu bereits verloren. Ich habe es lange bedauert.«
»Bedauert? Dass Sie nicht gefangen genommen oder getötet worden sind?«
»Weißt du, von all den selbstmörderischen Dummheiten, die wir begangen haben, war das die größte. Aber es war die einzige, derer wir uns nicht zu schämen brauchten. Wir wussten, dass die Stellung nicht mehr gehalten werden konnte, die Luftwaffe konnte nichts mehr ausrichten, die Hilfstruppen würden auf dem Landweg nicht mehr rechtzeitig eintreffen, aber wir haben uns dutzendweise freiwillig gemeldet, um dahin zu fliegen, um unsere Kameraden nicht alleinzulassen. Das war völlig sinnlos: Dien Bien Phu war endgültig verloren, und da waren Typen, die zur Luftwaffenbasis fuhren, weil sie unbedingt nach Indochina wollten. Typen, die noch nie mit einem Fallschirm abgesprungen waren und baten, dass man ihnen erklärte, wie das ging. Die Leiter des Oberkommandos, von den Dämpfen solcher Kühnheit berauscht, erlaubten
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