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Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition)

Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition)

Titel: Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexis Jenni
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andere bewegte sich von allein. Ich packte meine Fleischwaren aus, und als ich damit fertig war, schluckte sie laut; doch dann fasste sie sich wieder.
    »Hast du das auf dem Markt gefunden? Unter freiem Himmel? Das ist abscheulich!«
    »Was? Der freie Himmel?«
    »Nein, das da! Ist das nicht verboten?«
    »Ich habe keine Ahnung. Aber sieh dir doch mal diese Farben an. Rotgoldene Töne. Und ein Glanz wie von Bronze, alle Farben des Fleisches. Überlass mir das Kochen.«
    Ich band mir eine große Schürze um und schob Océane an den Schultern aus der Küche.
    »Ich kümmere mich um alles«, sagte ich beruhigend. »Nimm dir ein bisschen Zeit für dich selbst und mach dich schön, wie du das so gut verstehst.«
    Meine innere Begeisterung war so vehement, dass Océane keine andere Wahl hatte: Ich schloss die Tür hinter ihr. Ich schenkte mir ein Glas Weißwein ein. Das Licht, das durch das Glas fiel, hatte die Farbe von frisch gegossener Bronze; der Duft des Weins war der eines Schlags mit der Spitzhacke auf einen in der Sonne liegenden Kalkstein. Ich leerte das Glas, um mich ganz davon erfüllen zu lassen, und schenkte mir ein weiteres ein. Ich holte die Küchengeräte hervor; das Heft der Messer passte sich meiner Hand an; die Inspiration kam. Ich legte die diversen Innereien auf den Tisch. Ich erkannte sie alle als Stücke geschlachteter Tiere wieder. Mein Herz schlug vor Freude höher, dass sie so gut wiederzuerkennen waren, und ich war ihnen dankbar, dass sie sich so zeigten, wie sie waren. Nach ein paar Sekunden des Zögerns, so wie es einem vor einem weißen Blatt ergeht, setzte ich das Messer an.
    In einem orangefarbenen Nebel aus Alkohol und Blut kochte ich nach den Prinzipien der Alchimie; ich verwandelte den Lebenshauch, der diese Innereien aufgebläht hatte, in symbolische Farben, begehrenswerte Gewebe und Düfte, die deutlich als die von Nahrungsmitteln zu erkennen waren.
    Als ich die Küchentür wieder öffnete, zögerten meine Finger, denn alles, was ich anfasste, entglitt ihnen, und sie hinterließen auf allem eine rötliche Spur. Und auch was ich ansah, hinterließ, wenn es sich bewegte, einen leuchtenden Schweif, einen langgezogenen Lichtschimmer, der erst nach einer Weile erlosch.
    Océane tauchte vor mir auf, und niemand hätte ihr einen Vorwurf machen können. Ein weißes Kleid umhüllte sie aus einem Guss und brachte ihre Figur mit schimmerndem Glitzern zur Geltung. Ihr auf spitzen Schuhen ausgestellter Körper war eine Symphonie aus Rundungen: Hintern, Schenkel, ein reizender Bauch, Schultern, alles glitzerte bei jeder Bewegung mit immer neuen Widerspiegelungen der Seide. Ihre Hände mit den lackierten Nägeln hoben und senkten sich mit der Leichtigkeit eines Vogels, liebkosten die Luft und streiften unwillkürlich Gegenstände, um ihnen einen vollkommeneren Platz zu verleihen. Sie deckte ohne Eile den Tisch, und ihre langsamen Bewegungen verwirrten mich. Ihr Haar, das den Glanz von gewachster Eiche hatte, war zu einer komplizierten Frisur geordnet, die ihren Nacken und ihre brillantgeschmückten runden Ohren sehen ließ. Ihre gepuderten Lider glichen den sich auf und ab bewegenden Flügeln eines trägen Schmetterlings, und jeder Lidschlag rief eine wohlriechende Erschütterung des gesamten sie umgebenden Raums hervor. Sie deckte den Tisch wie mit einem Zentimetermaß, die Teller in perfekten Intervallen, das Besteck daneben als Tangente ausgerichtet, und drei Gläser in gerader Linie. In der Mitte standen auf einem Tischläufer aus weißer Stickerei Kerzen, die Schatten und sanfte Widerspiegelungen auf das Metall, das Glas und das Porzellan warfen. Die kleinen Flammen moirierten ihr Kleid mit ephemeren Formen, zart wie Liebkosungen.
    Als ich mit meiner blutigen Schürze, meinen bis zu den Nägeln geschwärzten Händen und seltsamen Flecken in den Mundwinkeln hereinkam, zitterten die kleinen Flammen und bedeckten mich mit furchtbaren Kontrasten. Sie riss die Augen und den Mund auf, aber da klingelte es. Der Schritt zurück, den sie angedeutet hatte, verwandelte sich in einen Gang zur Tür.
    »Ich bin noch nicht ganz fertig«, sagte ich. »Lass sie hereinkommen und Platz nehmen.«
    Ich eilte in die Küche zurück und schloss die Tür. Océane würde vorbildlich sein, man würde ihr nie den geringsten Vorwurf machen können; sie würde unsere Freunde, deren Namen ich inzwischen vergessen habe, tadellos empfangen, sie würde das Gespräch geschickt auf dieses oder jenes Thema lenken, würde stets die

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