Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition)
gleiche gute Laune haben und meine Abwesenheit taktvoll bis zu meiner Rückkehr rechtfertigen. Sie würde perfekt sein. Darum bemühte sie sich immer. Und das gelang ihr immer. Was, wenn man darüber nachdenkt, ein erschreckendes Wunder ist.
Die Gerüche, die von meinen Gerichten ausgingen, drangen durch die Tür, hoben sie fast aus den Angeln, glitten unter ihr hindurch, spalteten die Türfüllung aus weichem Holz und verbreiteten sich überall. Aber als ich herauskam und mit viel zu lauter Stimme »zu Tisch!« schrie, schienen sie noch völlig ahnungslos zu sein. Sie saßen in unseren Sesseln, tranken Champagner, unterhielten sich auf einem Level niedriger Intensivität und stellten in ihrer entspannten Haltung eine durchaus angemessene Gleichgültigkeit zur Schau.
Die Begeisterung schoss mir durch die Adern, vom Weißwein genährt, von dem ich eine ganze Flasche geleert hatte. Meine zu laute Stimme verletzte die neutrale Geräuschkulisse, Gerede und Musik, die Océane geschickt inszeniert hatte. Ich hatte weder meine Schürze abgelegt noch meine Lippen gereinigt. Als ich in dem gedämpften Licht des Wohnzimmers auftauchte, wurde die Stimmung so drückend und steif, dass ich Mühe hatte, ein Wort hervorzubringen; aber das lag vielleicht auch am Alkohol oder an meiner unpassenden Begeisterung. Es fiel mir schwer, vor ihren Augen einen weiteren Schritt zu machen, schwer, meine Lungen in dieser luftarmen Atmosphäre zu füllen, um ein paar Worte zu sagen, die sie verstehen könnten.
»Kommt«, sagte ich etwas leiser. »Setzt euch an den Tisch. Wir können essen.«
Océane wies ihnen lächelnd die Plätze zu. Ich brachte große Schüsseln herein, stellte einen grässlichen Berg blutiger Formen vor sie hin, der einen starken Geruch verbreitete.
Ich hatte, um die chinesischen Kaldaunen zu präsentieren, symbolisch einen Kohlkopf rekonstituiert, in dem in Frankreich der Mythologie zufolge die Kinder zur Welt kommen, also jenes generative Gemüse, das man in keinem Garten findet. Mithilfe von Kohlblättern hatte ich ein Nest geschaffen, und in dessen Mitte, eng eingeklemmt, die roten Kaldaunen gesteckt, mit der Luftröhre nach oben, genau wie im Inneren eines Tieres. Ich hatte sie nicht zerschnitten, denn ihre unversehrte Form war der Clou der Sache.
Ich hatte die Hahnenkämme ganz leicht angebraten, und das hatte sie aufgebläht und ihnen ihre rote Farbe wiedergegeben. Ich servierte sie so, glühend heiß und angeschwollen, auf einem schwarzen Teller, der einen unglaublichen Kontrast zu ihnen bildete, ein flacher, glatter Teller, auf dem sie zitternd ausglitten und sich noch bewegten.
»Nehmt sie euch mit Stäbchen«, fast hätte ich gesagt, mit einer Pinzette, »und tunkt sie in diese gelbe Soße. Aber seid vorsichtig, die Soße enthält viel Capsaicin, ist voller Chilipfeffer, gefärbt mit Kurkuma. Ihr könnt auch diese wählen, wenn sie euch besser gefällt. Sie ist zartgrün, aber genauso scharf. Ich habe sie mit vielen Zwiebeln, Knoblauch und asiatischem Rettich zubereitet. Die vorletzte brennt im Mund, und diese brennt in der Nase. Entscheidet euch, sobald ihr sie probiert habt, ist es zu spät.«
Die noch in Öl schwimmenden gebratenen Hahnenkämme glitten wirklich zu sehr auf dem schwarzen Teller hin und her. Als ich den Teller mit einer etwas zu heftigen Bewegung auf den Tisch stellte, flog einer wie von einem Trampolin durch die Luft und streifte die Hand eines unserer Gäste. Er stöhnte und zog schnell die Hand zurück, sagte aber nichts. Ich machte weiter.
Ich hatte die Blutwurst nicht in Stücke geschnitten und nur ganz leicht angebraten. Ich hatte sie in einer großen, halbkugelförmigen Schüssel zu einer Spirale zusammengerollt und sie nur mit gelbem Curry und Ingwerpulver bestreut, die durch die Hitze ihren scharfen Duft verbreiteten.
Und dann stellte ich die erhöhte Platte mit den Hammelköpfen, den unversehrt gelassenen, auf fein geschnittenen Salatblättern ruhenden Köpfen, die alle in eine andere Richtung blickten, mit hervortretenden Augen und heraushängender Zunge, mitten auf den Tisch, wie eine Parodie der drei Affen, die nichts sehen, nichts hören, und nichts sagen. Diese Idioten.
»So, das wär’s«, sagte ich.
Es wurde still, der Geruch breitete sich in dem Raum aus. Wenn unsere Gäste nicht alle gleichzeitig das Gefühl der Unwirklichkeit empfunden hätten, wäre ihnen vermutlich unwohl geworden.
»Aber das ist ja grässlich«, sagte einer von ihnen mit Fistelstimme. Ich
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