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Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition)

Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition)

Titel: Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexis Jenni
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weiß nicht mehr, wer es war, denn anschließend habe ich sie nie mehr wiedergesehen, sie alle vergessen und bin sogar umgezogen, um ihnen nie wieder auf der Straße zu begegnen. Aber ich erinnere mich noch genau, in welchem Ton er das letzte Wort aussprach, um sein Unbehagen auszudrücken: das »g« wie mit einem Schluckauf, das »ss« lang gezogen wie das Geräusch einer Bauchlandung, und das »ich« wie ein Windstoß. Ich erinnere mich weitaus besser an den Ton, in dem er dieses Wort sagte, als an sein Gesicht, denn er hatte »grässlich« wie in einem Film der fünfziger Jahre ausgesprochen, als es das härteste Wort war, das man sich in der Öffentlichkeit erlauben durfte. Das war alles, was er in unserem schönen Wohnzimmer in Gegenwart von Océane, die nicht den geringsten Vorwurf verdiente, sagen konnte. Sie taten alles, was in ihrer Macht stand, um mich zu entmutigen, aber durch Alkohol und verrückte Freude gefeit, hatte ich mich in mich selbst zurückgezogen, sodass ich nichts hörte. Sie hätten es mir deutlich ins Gesicht sagen müssen, aber da ihnen die Worte fehlten – in unseren Kreisen wird der Wortschatz immer begrenzter, da er kaum noch zu etwas nutze ist –, versuchten sie mir tief in die Augen zu blicken, um mich zu entmutigen, mit jenem gespielt vernichtenden Blick, der gewöhnlich ausreicht. Doch dann wandten alle den Blick ab und versuchten es nicht mehr. Ich weiß nicht warum; aber was sie in meinen Augen sahen, muss sie wohl bewegt haben, den Blick abzuwenden, um nicht magnetisch von mir angezogen, verletzt und schließlich verschlungen zu werden.
    »Darf ich euch aufgeben?«, fragte ich mit großer Freundlichkeit, auf die sie gern verzichtet hätten.
    Ich gab ihnen mit den Händen auf, denn es gab kein angemessenes Gerät außer der Hand, der bloßen Hand. Ich schob mit den Fingern den generativen Kohl auseinander, packte die glänzenden Kaldaunen, riss Herz, Milz und Lunge ab und brach mit dunkelrotem Daumen Luftröhre, Kehlkopf und Grimmdarm auf, um meine Gäste davon zu überzeugen, dass sie nicht durchgebraten waren, denn solche Fleischgerichte dürfen nur auf kleiner Flamme geschmort werden. Die Flamme muss wie eine Liebkosung sein, wie ein Farbe verleihendes Streicheln, und das Innere muss blutig bleiben. Das Feuer, das man zum Kochen benutzt, wird ganz anderes eingesetzt, als es ein Keramiker tut. Für ihn muss das Feuer bis ins Innere des Werkstücks vordringen und dessen Materie umwandeln; beim Kochen dagegen dient das Feuer nur dazu, die Formen erstarren zu lassen und die natürliche Zartheit der Farben zu erhalten, es darf nicht den Geschmack verändern, den Geschmack der organischen Funktionen des Tieres, den Geschmack der nun unterbrochenen Bewegung, den Geschmack des Lebens, das in seiner scheinbaren Bewegungslosigkeit fließend und flüchtig bleiben muss. Unter der dünnen farbigen Oberfläche blieb das Blut. Probieren Sie nur. Dieser Geschmack, der Geschmack von Blut wird einen immer verfolgen. Hunde, die Blut gekostet haben, müssen, wie man behauptet, getötet werden, bevor sie zu mordlustigen Bestien werden. Aber die Menschen sind da anders. Die Vorliebe für Blut steckt in uns, aber wir können sie zügeln; jeder behält sie für sich, nährt sie insgeheim, zeigt sie aber nie. Wenn ein Mensch Blut gekostet hat, vergisst er das ebenso wenig wie ein Hund, aber der Hund ist ein kastrierter Wolf, und man muss ihn töten, wenn er aus der Art schlägt. Der Mensch dagegen ist, nachdem er Blut gekostet hat, endlich ein vollkommenes Wesen.
    Ich gab jedem Hahnenkämme auf, den Männern ein wenig mehr als den Frauen, und lächelte dabei vielsagend, um diesen Unterschied zu begründen. Aber die Hammelköpfe gab ich nur den Männern, und zwar mit einem nachdrücklichen Augenzwinkern, das sie zwar nicht verstanden, sie aber daran hinderte, abzulehnen. Ich legte den Kopf auf ihren Teller und drehte ihn so, dass ihr Blick auf die Frauen gerichtet war, und jeder dieser Köpfe mit den blinden weißen Augen hatte die Zunge herausgestreckt, ein burlesker Effekt von unglaublicher Komik. Ich brach in schallendes Gelächter aus, blieb aber der Einzige. Ich zwinkerte mehrfach mit den Augen, stieß meine Gäste mit dem Ellbogen an und lächelte vielsagend, aber all das vertrieb nicht ihre Betroffenheit. Sie begriffen nicht. Sie ahnten etwas, begriffen aber nichts.
    Als ich die Blutwurst anschnitt, stach ich etwas zu heftig zu, und ein Strahl aus schwarzem Blut spritzte mit einem seufzenden

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