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Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition)

Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition)

Titel: Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexis Jenni
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würden sich auf ein eher dunkles, mattes, allgemein anzutreffendes Smaragdgrün beschränken. Dem elektrisierenden Grün der Monate April und Mai würde schließlich ein sanftes Halbdunkel wie das von tiefem Wasser folgen, ein Halbdunkel, dem die Kraft von Reife und Beständigkeit innewohnte.
    Kampfgruppen waren gebildet worden, und ihre Mitglieder kannten sich gut. Jeder wusste, auf wen er sich verlassen konnte, wer an der Spitze marschierte, wer die Munition trug und wer den Befehl gab, sich auf den Boden zu werfen oder zu rennen. Sie hatten gelernt, im Gänsemarsch zu gehen, ohne dass einer den Anschluss verlor, gelernt, auf ein Zeichen hin in den Löchern des Weges, hinter Steinen oder hinter Baumstämmen zu verschwinden, gelernt, gemeinsam das Feuer zu eröffnen und es gemeinsam einzustellen, gelernt, in einer Gruppe zu leben. Der Colonel behielt alles im Auge, sowohl die militärische Ausbildung als auch die Instandhaltung des Lagers. Er überzeugte sie mit einem einzigen Blick davon, dass ein ordentlich geführtes Lager schon eine Waffe gegen Deutschland war. Sie hatten das Gefühl, an Größe, an Wendigkeit und an Stärke zu gewinnen.
    Salagnon zeichnete weiterhin; das sprach sich herum, und man bat ihn, Porträts anzufertigen. Der Colonel beschloss, das zu einer von Salagnons Aufgaben zu machen. Am frühen Nachmittag, wenn eigentlich Mittagsschlaf angesagt war, kamen sie einer nach dem anderen zu ihm, um ihm Modell zu stehen. Er fertigte in seinem Heft Skizzen an, die er anschließend auf losen Blättern weiter ausführte. Er zeichnete heroische Porträts von Jungen, die mit schräg aufgesetztem Barett und offenem Hemd ihre Waffen zeigten, von lächelnden, selbstsicheren Jungen, die stolz auf ihre Aufmachung, ihr etwas zu langes Haar und ihre jungen Muskeln waren, die sie gern zeigten.
    Von da an wurde das Packpapier nicht mehr zerrissen, sondern sorgfältig behandelt. Man brachte es Salagnon in Stapeln aus gut geglätteten Blättern in so großem Format, wie die Falten es erlaubten.
    Er zeichnete auch Szenen aus dem Lager, schlafende junge Männer, die Jungen beim Holzsammeln oder beim Reinigen der Töpfe, die Handhabung der Waffen und das abendliche Beisammensein ums Feuer. Der Colonel hängte mehrere Zeichnungen an die Wände der kleinen Scheune, die als Befehlsstelle diente. Er betrachtete sie oft stumm, wenn er an seinem kleinen Schreibtisch saß, der aus mit dem Fallschirm abgeworfenen Kisten gezimmert worden war, oder wenn er träumend auf seinen gedrehten Gehstock gestützt in dem Gebäude stand. Der Anblick dieser durch den Zeichenstift vereinfachten und idealisierten jungen Helden ließ seine Brust anschwellen. Er fand Salagnon äußerst wertvoll. Die Zeichnungen machten ihm Mut.
    Er vertraute Salagnon einen flachen Blechkasten mit einem kompletten Sortiment von achtundvierzig Buntstiften der Marke Faber-Castell in allen Farbtönen an. Der Kasten hatte sich in der Aktentasche eines deutschen Offiziers befunden, die mit allen Dokumenten, die sie enthielt, in der Präfektur gestohlen worden war. Mehrere Verdächtige waren festgenommen und alle ohne Unterschied gefoltert worden. Der Mann, der für den Diebstahl verantwortlich war, wurde denunziert und hingerichtet. Die nach London geschickten Dokumente hatten dazu gedient, mehrere Eisenbahnknotenpunkte zu dem Zeitpunkt zu bombardieren, da Transporte mit kostbaren Gütern dort rangiert wurden. Salagnon benutzte, ohne es zu wissen, mit Blutzoll bezahlte Buntstifte. Er verlieh den Schatten eine größere Tiefe und benutzte Farben. Er zeichnete Landschaften, Bäume und die moosbedeckten großen Felsen, die vor ihren Füßen lagen.
    Da ihm die Tusche fehlte, stellte er einen Ersatz aus Waffenfett und Ruß her. Diese mit einem Holzspachtel aufgetragene behelfsmäßige Tusche von glänzendem Schwarz verlieh manchen Szenen und manchen Gesichtern einen dramatischen Aspekt. Die jungen Männer in dem Lager betrachteten einander nun mit anderen Augen; Salagnon hatte dazu beigetragen, dass ihr Zusammenleben glücklicher wurde.
    Eines Abends Anfang Juni blieb der Himmel sehr lange dunkelblau. Er war noch viel zu hell, um Sterne erkennen zu können, ein allgemeines sanftes Licht machte es überflüssig, Laternen anzuzünden. Eine bläuliche Wärme hinderte die Jungen am Schlafen. Sie lagen im Schatten oder lehnten sich an die Felsen und tranken Rotwein, den sie am Nachmittag gestohlen hatten. Der Colonel hatte die Expedition unter der Bedingung erlaubt, dass sie

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