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Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition)

Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition)

Titel: Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexis Jenni
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sich nicht erwischen ließen, die so oft eingeübten Regeln beachteten und niemanden zurückließen.
    Mit Eimern, Bohrwinden und Holzzapfen ausgerüstet waren sie zum Bahnhof am Ufer der Saône hinabgegangen und zwischen die auf den Rangiergleisen stehenden Züge geschlichen. Sie hatten Kesselwagen entdeckt, die mit einem deutschen Namen, vermutlich dem Zielbahnhof, beschriftet waren. Die Hähne waren verplombt, aber die Kessel aus Holz; und so hatten sie mit Bohrwinden Löcher in die Kessel gebohrt, bis der Wein mit einem Geräusch, das sie zum Lachen gebracht hatte, in ihre Eimer sprudelte. Die Holzzapfen hatten dazu gedient, die Löcher wieder zu schließen, und anschließend waren sie wieder zum Lager hinaufgestiegen, ohne dass man sie gesehen hatte. Sie hatten in der prallen Sonne geschwitzt, etwas von dem Wein verschüttet und je weiter sie vom Bahnhof entfernt waren, immer lauter gelacht. Sie hatten niemanden verloren, waren gemeinsam zurückgekehrt, und daher hatte der Colonel nichts zu beanstanden. Er ließ den Wein zum Kühlen in die Quelle stellen und forderte sie auf, mit dem Umtrunk noch ein wenig zu warten.
    In der Nacht, die noch nicht richtig angebrochen war, tranken sie in Ruhe und lachten hin und wieder über ein paar Witze und über den mehrmals erzählten und ein wenig ausgeschmückten Bericht ihrer Expedition am Nachmittag. Die Sterne leuchteten noch immer nicht auf, die Zeit schien stillzustehen. Sie blieb stehen, so wie das Pendel einer Standuhr kurz stehen bleibt, wenn es das Ende seiner Bahn erreicht hat, bevor es zurückschwingt.
    In der kleinen Scheune, die als Befehlsstelle diente, brannte eine Petroleumlampe, deren Schein durch die Ritzen der Tür drang. Der Colonel hatte seinen bunt gemischten Führungsstab um sich versammelt, der aus Gruppenführern bestand, jenen blutjungen Erwachsenen, in die die Jungen Vertrauen hatten wie in ältere Brüder oder junge Lehrer. Ihre Besprechung hinter verschlossener Tür hatte schon vor mehreren Stunden begonnen.
    Salagnon lag halb betrunken auf dem Rücken neben dem Eimer. Er kratzte mit der Hand an dem saftigen, taufeuchten Gras unter ihm, seine Finger bohrten sich zwischen die haarfeinen Wurzeln in die Erde, und er spürte den kühlen Hauch, der von ihr ausging. Er spürte mit den Fingerspitzen, wie die Nacht unter ihm aufstieg. Wie kann man nur sagen, die Nacht sinke herab, dabei geht sie vom Boden aus und steigt nach und nach zum Himmel auf, der bis zum letzten Moment die letzte Lichtquelle bleibt! Salagnon starrte einen einzelnen Stern über sich an und spürte auf einmal die Weite des Himmels und nahm unter seinem Rücken die Erde wie eine Kugel wahr, eine riesige Kugel, gegen die er gepresst wurde, und diese Kugel drehte sich im Weltraum, fiel für immer in diese dunkelblaue Weite, die alles enthält, im selben Rhythmus wie der bewegungslose Stern über ihm. Sie rasten gemeinsam, an eine dicke Kugel gepresst, an die sie sich klammerten, die Finger in die Graswurzeln gebohrt. Die Gegenwart der Erde unter ihm erfüllte ihn mit großer Freude. Er drehte den Kopf zur Seite, die Bäume hoben sich schwarz vor dem hellen Himmel ab, jeder einzelne mit unendlichem Gewicht, und die reglosen Felsen zu ihren Füßen glänzten leicht, sie verformten den Boden mit ihrem Gewicht, und der ganze Raum glich einem Laken, das vom Gewicht der im Gras liegenden Jungen, der nicht sehr hohen Bäume und der moosbedeckten Felsen gespannt war, und das verschaffte ihm dieselbe tiefe, beständige Freude.
    Er war von grenzenlosem, unendlichen Wohlwollen für all jene erfüllt, die um ihn herum im Gras lagen und aus demselben Eimer Wein schöpften wie er; und von demselben mit Zuversicht vermischten Wohlwollen für alle, die in der kleinen Scheune um den Colonel versammelt waren, der nie sein blassblaues Käppi der Sahara-Legionäre ablegte. Schon seit Stunden diskutierten sie hinter verschlossener Tür im Schein der einzigen im Lager brennenden Lampe, deren Licht man durch die Ritzen der Tür dringen sah, ein gelbes Licht, während draußen alles blau oder schwarz war.
    Die Petroleumlampe erlosch. Die Gruppenführer gesellten sich zu den anderen und tranken mit ihnen, bis die Nacht wirklich finster und das Gras von kaltem Tau benetzt war.
    Am folgenden Tag kündigte der Colonel den Jungen, die vor der auf einer Stange gehissten Flagge in einer Reihe angetreten waren, feierlich an, dass die Schlacht um Frankreich begonnen habe. Jetzt müssten sie in den Kampf

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