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Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition)

Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition)

Titel: Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexis Jenni
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wurde und sie sich nicht langweilen würden.
    Sie begannen mit den Vorbereitungen für das Lager. Eine kleine Scheune diente als Hauptquartier. Ein halb verfallenes Gebäude wurde wieder hergerichtet, das mit dünnen Steinplatten bedeckte Dach sorgfältig instand gesetzt; mit grünen Segelstoffplanen und im Wald abgesägten Stecken errichteten sie Zelte. Das Wetter war schön, kühl, all das war gesund und amüsant. Sie richteten Vorratsräume, eine Küche und Wasserstellen ein, alles Erforderliche, um lange unter sich zu leben, weit von allem entfernt.
    Von großen Steinen übersät und kräftigen Bäumen bestanden wuchs das Gras zusehends; es bauschte sich langsam auf wie zu Schnee geschlagenes Eiweiß. Eine Vielzahl gelber Blüten glänzte in der Sonne; unter einem bestimmten Blickwinkel bildete das eine riesige Goldplatte, auf der sich die Sonne spiegelte. Am ersten Abend zündeten sie ein Feuer an, blieben lange auf, lachten viel und schliefen hier und dort ein.
    Am nächsten Morgen regnete es. Die Sonne ging nur widerwillig auf, blieb die meiste Zeit hinter der Wolkendecke versteckt, sodass man nicht wusste, in welchem Teil des Himmels sie sich befand. Die jugendliche Begeisterung ist wie Pappe, sie hält der Feuchtigkeit nicht stand. Müde, starr vor Kälte, nur unzureichend von ihren behelfsmäßigen Unterkünften geschützt, waren die Jungen ein wenig kleinlaut geworden. Sie betrachteten stumm das Wasser, das von den Zeltdächern hinabtropfte. Nebelschwaden krochen über die Alm und verschluckten sie nach und nach.
    Der Colonel machte eine Runde durch das Lager, in seiner Hand der Gehstock aus gedrehtem Buchsbaum mit der Kraft von hartem Holz, die der Mann perfekt zu bändigen wusste. Er wurde vom Regen nicht nass, das Wasser prallte von ihm ab wie Licht. Er glänzte nur stärker. Seine Gesichtszüge waren knochig, das durch die Falten rinnende Regenwasser zeichnete eine Landkarte, die die Struktur des Knochenbaus freilegte. Alles an ihm war bedeutsam. Mit seinem nachlässig geschlungenen Sahara-Schal, dem himmelblauen, nach hinten geschobenen Käppi und seiner vorn am Gürtel befestigten Dienstwaffe ging er von Zelt zu Zelt und schwang dabei den Gehstock, der gegen Äste schlug und hinter ihm Regengüsse hervorrief, die ihn nicht erreichten. Seine gleichgültige, steife Haltung war bei Regenwetter eine große Hilfe. Er versammelte die Jungen in dem großen halb verfallenen Gebäude, dessen Dach sie ausgebessert hatten. Trockenes Stroh bedeckte den Boden. Ein dicker Kerl, den sie den Küchenbullen nannten, teilte einen runden Brotlaib aus, der in acht Teile geschnitten werden musste, eine Dose Ölsardinen für zwei (es war die erste von unzähligen Dosen Ölsardinen, die Salagnon in seinem Leben öffnen sollte) und für jeden einen Feldbecher mit dampfendem echten Kaffee. Sie tranken ihn voller Genuss und Erstaunen, denn es war weder eine dünne Plörre noch Ersatzkaffee, sondern heißer, duftender Kaffee aus Afrika. Es war allerdings das einzige Mal während ihres ganzen Aufenthalts im Maquis, dass sie echten Kaffee tranken – um ihre Ankunft zu feiern oder um die Wirkung des Regens zu bannen.
    Sie erhielten eine Ausbildung, die exakt auf den Krieg abgestimmt war. Ein aus deutscher Gefangenschaft ausgebrochener Infanterieoffizier unterrichtete sie im Umgang mit Waffen. Stets glatt rasiert, mit auf den Millimeter genau gestutzter Frisur und bis oben zugeknöpfter Uniform verriet sein Aussehen nicht, dass er seit zwei Jahren im Wald versteckt lebte – bis auf die Art, wie er beim Gehen den Fuß auf die Erde setzte, ohne einen Zweig knacken zu lassen, ohne ein Blatt zu zerknittern, praktisch ohne den Boden zu berühren.
    Wenn er seinen Unterricht erteilte, setzten sich die Jungen mit glänzenden Augen im Kreis um ihn herum ins Gras. Er brachte grüne Holzkisten mit, die er in ihrer Mitte abstellte, langsam öffnete und denen er Waffen entnahm.
    Die Erste, die er ihnen zeigte, enttäuschte sie; ihre Form war nicht ernst zu nehmen. »Ein FM 24/29«, sagte er. »Ein Maschinengewehr, das leichte MG des französischen Heeres.« Die Augen der Jungen verschleierten sich. Das Wort »Gewehr« missfiel ihnen, das Wort »leicht« ebenfalls, und »französisch« erweckte ihr Misstrauen. Diese Waffe machte einen empfindlichen Eindruck, mit einem wie aus Ungeschicklichkeit umgekehrt aufgesetzten Magazin. Sie wirkte längst nicht so zuverlässig wie die deutschen Waffen, die sie an den Straßenecken sahen, diese geraden,

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