Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition)
eines Kaufmanns, er übte dieselbe Funktion aus wie ein Automat, er verteilte Schachteln mit Wirkstoffen. In der Nachtdienst-Apotheke voller kranker Menschen, die in einer Schlange warteten und sich bemühten, einander nicht zu sehen, nahm die Spannung zu. Sein rundes schwarzes Gesicht mit dem auf den Bildschirm der Kasse gerichteten Blick bot keinerlei Angriffsfläche.
Eine hagere kleine Frau, die an der Reihe zu sein glaubte, machte einen Schritt nach vorn. Ein gut aussehender Mann mit scharfer Nase, lebhaften Augen und einer schönen Haarsträhne, die ihm in die Stirn fiel, griff ein. Seine Größe und seine Eleganz ausnutzend sagte er herrisch: »Haben Sie nicht bemerkt, dass ich vor Ihnen da war?« Sie stammelte etwas, aber ohne zu erröten – ihre trockene Haut ließ das nicht zu. Sie zitterte. Sie ließ ihm mit unhörbarer Entschuldigung den Vortritt. Er wirkte intelligent, wohlhabend und war in elegant zerknittertes Leinen gekleidet, und sie war klein, hager und wirkte in vielfacher Hinsicht verbraucht, ich erinnere mich nicht mehr, wie sie gekleidet war. Er war sogleich unerbittlich, bereit sie zu schlagen, sie war ängstlich.
Die flüssig wirkende dunkle Weite wogte gegen die Flanken der Nachtdienst-Apotheke. Das unvorhersehbare närrische Treiben fand ringsumher statt, Schatten irrten über die Straßen, sie sahen aus wie Menschen, blieben aber Schatten; die umherirrenden Schatten tauchten kurz im Lichtviereck vor der verschlossenen Tür auf, die Zähne und die Augen in den dunklen Gesichtern blitzten kurz auf, und wir rückten im Inneren der abgeschlossenen Apotheke näher zusammen, warteten darauf, an die Reihe zu kommen; wütend, dass wir noch nicht dran waren; voller Angst, nie dranzukommen. Wir warteten auf die schmerzstillenden Mittel.
Der selbstsichere Mann klatschte sein Rezept mit einer schroffen Bewegung auf den Ladentisch, entfaltete es und brummte, so ginge das nicht, so ginge das wirklich nicht, es sei immer das Gleiche. Er zeigte auf eine Zeile des Rezepts und tippte mehrmals mit dem Zeigefinger darauf.
»Ich will nur das.«
»Und der Rest? Der Arzt hat Ihnen viel mehr verschrieben.«
»Hören Sie zu, der Arzt ist ein Freund von mir. Er weiß, was ich brauche. Den Rest verschreibt er mir nur, damit ich besser erstattet werde. Aber ich weiß, was ich tue. Ich weiß, was ich nehme. Geben Sie mir, was ich haben will.«
Er sagte das in abgehacktem Rhythmus, artikulierte überdeutlich, sprach mit der Miene von jemandem, der eine Entscheidung getroffen hat, sprach im Ton von jemandem, der genauso viel davon versteht wie der Arzt und sehr viel mehr als ein afrikanischer Laborant, der den Nachtdienst versieht. Er nahm eine kämpferische Pose ein. Die kleine verbrauchte Frau war mehrere Schritte zurückgewichen. Sie setzte eine fügsame Miene auf, um zu vermeiden, dass er sie schlug, und er warf ihr wütende Blicke zu, die schwer auf ihren empfindlichen Schultern lasteten, auf Knochen, zerbrechlich wie Glas. Wir standen alle stumm in einer Schlange in der Nachtdienst-Apotheke und wollten nicht miteinander reden, denn vielleicht waren wir ja verrückt, abartig veranlagt oder krank, wir wollten nichts erfahren, denn um etwas zu erfahren, ist Kontakt erforderlich, und Kontakt ist gefährlich, kann eine Reizung hervorrufen, kann infizieren, verletzen. Wir wollten nur Medikamente, um unsere Schmerzen zu stillen.
Die kleine verbrauchte Frau trat unwillkürlich einen Schritt vor; sie befürchtete vermutlich, noch mehr an Raum zu verlieren als sie bereits aufgegeben hatte, und so machte sie einen Schritt in die leere Zone, die diesen angespannten Mann umgab, diesen Mann, der gleichsam mit Eisenspitzen gespickt war wie Treibminen mit Kontaktzündern. Sie verletzte seinen Raum und hätte sein Rezept lesen können, daher schlug er mit der Hand darauf, wie eine Ohrfeige, und erdolchte sie mit seinem Blick, woraufhin sie zurückwich.
»So geht das nicht!«, brüllte er. »Es ist immer das Gleiche! Nie bleiben sie an ihrem Platz! Immer müssen sie sich vordrängen! Man muss auch noch Augen im Rücken haben!«
Er schlug mehrmals mit der flachen Hand auf das Rezept. Mit einer eleganten Geste strich er die Haarsträhne zurück; seine weiche, fließende Leinenkleidung machte die Bewegung mit.
»Ich will das hier«, sagte er in einem Ton, wie er drohender kaum sein konnte.
Der Laborant ließ sich nichts anmerken, seine rundlichen Züge bewegten sich nicht, seine schwarze Haut zeigte keine Reaktion, und der
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