Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition)

Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition)

Titel: Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexis Jenni
Vom Netzwerk:
wütende Mann strich noch einmal seine schöne Strähne aus der Stirn. Seine Augen funkelten, sein Gesicht lief rot an, seine Hand zitterte auf dem Ladentisch; er hätte am liebsten noch einmal zugeschlagen, auf den Ladentisch geschlagen, auf das Rezept geschlagen, etwas anderes geschlagen, damit dieser gleichgültige Kerl endlich parierte.
    »Gibst du mir nun endlich das Medikament!«, brüllte er dem Laboranten ins Gesicht, der keine Miene verzog.
    Der fette Typ vor mir, ein großer schnauzbärtiger Mann, dessen Schmerbauch die Knöpfe seines Hemds wegzusprengen drohte, begann lauter zu atmen. Durch die dicke Scheibe sahen wir die aufsässigen jungen Leute auf und ab gehen, und jedes Mal warfen sie einen Blick auf uns, einen herausfordernden Blick, während wir in der Apotheke eingeschlossen blieben. Das lief schlecht, ganz schlecht. Aber ich sagte nichts, ich hatte große Schmerzen.
    Der gut aussehende arrogante Mann in seinem Leinenanzug zitterte vor Wut darüber, dass man ihn mit dem Pöbel der Kranken in einer Nachtdienst-Apotheke gleichsetzte, und die kleine verbrauchte Frau hinter ihm, die jetzt großen Abstand hielt, zitterte, wie sie vermutlich schon immer gezittert hatte. Vielleicht würde er sich umwenden und ihr eine Ohrfeige versetzen, wie man es mit einem Kind tut, das einem auf die Nerven geht, nur um sich zu beruhigen und zu zeigen, wer den Ton angibt. Und sie würde nach der Ohrfeige in schrilles Geschrei ausbrechen und sich an allen Gliedern zitternd auf dem Boden wälzen; oder sie würde ausnahmsweise einmal den Kopf heben, sich auf ihn stürzen und mit ihren kleinen Fäusten rasend auf ihn einhämmern wie weinende Frauen es tun; es wäre auch möglich, dass sie nichts sagen und die Ohrfeige nur mit einem Knacken im Rücken hinnehmen würde, sodass sie noch gebeugter dastünde, von stummen Schluchzern geschüttelt, noch kleiner, noch verbrauchter.
    Und was hätte der große schnauzbärtige Dickwanst angesichts einer kleinen Frau getan, die zusammenbricht oder sich weinend mit einer Fistelstimme auflehnt, oder angesichts einer kleinen Frau, die sich noch etwas tiefer in die Erde verkriecht? Was hätte er getan? Er hätte lauter geatmet, sein Schnaufen hätte den Lärmpegel eines mit voller Kraft arbeitenden Staubsaugers erreicht, er hätte nach vorn gehen, seinen massigen Körper voran bewegen können, um dem widerwärtigen Kerl links und rechts eine runterzuhauen. Der elegante Typ wäre mit Protestgeschrei und blutiger Nase zu Boden gestürzt und hätte dabei das Regal mit Abmagerungskapseln mitgerissen, und der große schnauzbärtige Mann hätte sich die Faust massiert und noch lauter geschnauft, wie ein Moped, das nur mit Mühe einen Hang hinaufkommt, und sein Schmerbauch würde zwischen den Knöpfen seines Hemds wackeln, von denen einer vielleicht abspringen würde. Und der Mann auf allen vieren hätte in den letzten Zügen liegend mit gerichtlichen Schritten gedroht, aber ohne aufzustehen, und der afrikanische Laborant wäre unerschütterlich geblieben, denn er war solche Situation gewohnt, und hätte sich bemüht, für Ruhe zu sorgen. »Ich bitte Sie, Messieurs! Immer mit der Ruhe!«, hätte er gesagt. Und die kleine Frau wäre trotz allem dem blutverschmierten arroganten Mann auf allen vieren zu Hilfe geeilt und hätte dem schnauzbärtigen Rohling vorwurfsvolle Blicke zugeworfen, während dieser nun immer schwerer atmen würde, wirklich schwer, und einem Herzanfall, einer Verstopfung der Bronchien oder gar dem Stillstand der Blutzirkulation in seinen schmalen Arterien zu erliegen drohte, die viel zu verkalkt, viel zu eng, viel zu schwach für die Ausbrüche von Gewalt waren, deren er fähig war.
    Der Laborant würde weiterhin seinen Warenbestand an seiner elektronischen Kasse verwalten, indem er leicht mit dem Finger auf den Bildschirm tippte, und würde weiterhin mit gemäßigter Stimme zur Ruhe aufrufen: »Ich bitte Sie, Messieurs! Aber Madame!«, und dabei an die in der Schublade unter der Kasse liegende Tränengasspraydose denken, mit der er am liebsten alle besprüht hätte. Aber anschließend hätte er lüften müssen, und die einzig mögliche Tür ging zur Straße hinaus, und die durfte man nicht öffnen, denn auf der Straße lungerten Leute herum, die unbedingt draußen bleiben mussten. Und daher würde er sich bemühen, wieder Ruhe herzustellen, und gleichzeitig davon träumen, alle mit einem Maschinengewehr niederzumähen, damit dieser Zirkus endlich aufhörte.
    Was hätte ich bei

Weitere Kostenlose Bücher