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Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition)

Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition)

Titel: Die französische Kunst des Krieges: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexis Jenni
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der Berichterstattung wiedergeben, aber man kann es in Zahlen und mit Namen ausdrücken. Das habe ich später im Kino begriffen. Denn ich liebe Kinofilme.
    Ich habe mich seit jeher für Kriegsfilme interessiert. Ich mag es, im Dunkeln zu sitzen und mir Hubschrauberfilme anzusehen, mit dem Lärm der Bordkanonen und dem Sieben der Maschinengewehre. Das ist futuristisch, schön wie die Werke von Marinetti, das erregt den kleinen Jungen, der ich noch immer bin, den Kleinen, den Jungen: Peng! Peng! Piff, paff! Das ist schön wie Art brut, schön wie die dynamokinetischen Werke der 20er Jahre, aber zusätzlich hat man noch einen mächtigen Ton, der die Bilder unterstreicht und den Zuschauer mitreißt, ihn in den Sessel presst. Ich liebte Kriegsfilme, aber bei jenem, den ich viele Jahre später sah, lief es mir, wegen der Namen, wegen der Zahlen, eiskalt den Rücken hinunter.
    Ach, wie gut der Film die Dinge zum Ausdruck bringt! Sehen Sie doch nur! Sehen Sie doch nur, wie ein zweistündiger Film viel mehr zeigt als das Fernsehen in ganzen Tagen. Bild gegen Bild: die Kinobilder strafen die Bilderflut des Fernsehens Lügen. Der auf die Wand projizierte feste Bildausschnitt, dem offenen Auge eines Schlaflosen im nächtlichen Schlafzimmer vergleichbar, erlaubt der Wirklichkeit aufgrund der Langsamkeit, des prüfenden Blickes und der gnadenlosen Unbeweglichkeit endlich zutage zu treten. Sehen Sie doch nur! Ich drehe mich zur Wand und sehe sie, meine Königinnen, sagte jener, der das Schreiben aufgab und immer die sexuellen Praktiken eines Heranwachsenden gepflegt hatte. Er hätte bestimmt den Film geliebt.
    Man sitzt in gepolsterten Sesseln, deren Rückenlehne wie eine Schale geformt ist, über den Nacken hinausgeht und verbirgt, was man tut oder mit seinen Gesten verrät, das Licht wird schwächer. Durch das Fenster, das sich vorn öffnet – manchmal öffnet sich noch ein Vorhang, ehe der Film vorgeführt wird –, durch dieses Fenster sieht man die Welt. Und langsam lasse ich im Dunkeln meine Hand ganz sanft in die Spalte der Freundin gleiten, die mich begleitet, und auf der Leinwand sehe ich und begreife endlich.
    Ich weiß nicht mehr den Namen jener, die mich damals begleitet hat. Es ist seltsam, wie wenig man sich merkt, mit wem man schläft. Aber ich habe ein schlechtes Namensgedächtnis, und meistens schließen wir beim Liebesakt die Augen. Ich zumindest; ich erinnere mich nicht mehr an ihren Namen. Ich bedaure es. Ich könnte mich zwingen oder einen Namen erfinden. Niemand würde das merken. Ich würde einen banalen Namen nehmen, um überzeugend zu wirken, oder einen seltenen Namen, um ihn wie ein Schmuckstück zu tragen. Ich zögere. Aber einen Namen zu erfinden, würde nichts ändern; das würde nichts an dem abgrundtiefen Entsetzen über das Fehlen ändern, und über das fehlende Vermissen. Denn das Allerschlimmste, das Grausamste ist das Nicht-Vermissen von jemandem.
    Dieser auch als DVD existierende Kinofilm, den praktisch jeder gesehen hat und der mich so erschreckte, dieser Film eines bekannten Regisseurs spielt in Somalia, mit andern Worten, nirgendwo. Eine amerikanische Spezialeinheit soll in Mogadischu einen Mann festnehmen und kidnappen. Doch die Somalier leisten Widerstand. Es wird auf die Amerikaner geschossen, und sie schießen zurück. Es gibt zahlreiche Tote, unter ihnen viele Amerikaner. Jeder amerikanische Tote wird vor, während und nach seinem Ableben gezeigt, er stirbt langsam. Die Amerikaner sterben einzeln, jedem wird im Film etwas Zeit zum Sterben gewidmet. Die Somalier dagegen sterben wie beim Tontaubenschießen, in Massen, man zählt sie nicht. Als sich die Amerikaner zurückziehen, fehlt einer von ihnen, er ist in Gefangenschaft geraten, daraufhin überfliegt ein Hubschrauber Mogadischu und wiederholt über eine voll aufgedrehte Lautsprecheranlage immer wieder seinen Namen und dass man ihn nicht vergessen werde. Im Abspann wird erwähnt, dass es auf amerikanischer Seite neunzehn Tote gegeben habe, die alle namentlich aufgeführt werden, und dass auf Seiten der Somalier mindestens tausend Menschen getötet wurden. Dieser Film schockierte niemanden. Diese Diskrepanz schockierte niemanden. Dieser Mangel an Symmetrie schockierte niemanden. Aber das sind wir ja auch schon gewohnt. In unsymmetrischen Kriegen, den einzigen, an denen der Westen teilnimmt, ist das Größenverhältnis immer dasselbe: wenigstens eins zu zehn. Der Film basiert auf einer wahren Begebenheit – das versteht sich von selbst,

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