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Die Frau am Tor (German Edition)

Die Frau am Tor (German Edition)

Titel: Die Frau am Tor (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ben Worthmann
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war nur wenig kleiner als er – und wandte ihm ihr Gesicht zu. Es war ein hübsches, etwas katzenhaftes Gesicht mit großen, ziemlich weit auseinanderstehenden Augen, umrahmt von knapp schulterlangem, dunkelblondem Haar, das allerdings ziemlich unordentlich wirkte, was zu ihrem aktuellen Gesamtbild passte. Ihm ging kurz durch den Kopf, dass sie bei anderer Gelegenheit gewiss noch weit attraktiver auszusehen verstand, mit einem Makeup, das nicht zerlaufen und einem Mund, der ordentlich geschminkt statt mit Lippenstift verschmiert war.
    Die Lippen bewegten sich schwach, als wollten sie etwas sagen, während ihr Blick zwischen jenem fernen, undefinierbaren Punkt und dem Anblick des Mannes, dessen Arme sie hielten, hin und her zu irren schien. Und dann, eher er sich versah, hatte sie sich plötzlich von ihm losgerissen und versuchte, sich an ihm vorbei zu drängen. Gleichzeitig stieß sie einen lauten Schrei aus. Er versperrte ihr den Weg und nahm sie am Arm, um sie zurückzudrängen, und warf einen prüfenden Blick die Straße entlang. Sie still und friedlich da, kaum beleuchtet von den wenigen Laternen, mit ihren hohen Platanen auf beiden Seiten, die eine Art Dach über ihr bildeten, und mit den soliden, zumeist etwas älteren, gepflegten Häusern, die von großzügigen Grundstücken umgeben und in gebührendem Abstand voneinander aufgereiht waren. Die Kolbestraße – so hieß sie, wie er sich entsann - gehörte zu jenen Vorortstraßen tief im Südwesten Berlins, in denen es so gut wie immer ruhig war, vor allem, wenn es, wie jetzt, auf Mitternacht zuging.
    Die Frau ließ sich ohne weitere Gegenwehr auf den dunklen Pfad am Haus entlang in Richtung des Eingangs dirigieren, dem eine kleine Terrasse vorgesetzt war, auf die man über fünf Treppenstufen gelangte. Über der Haustür, die halb offen stand, brannte eine Lampe, die den gesamten Eingangsbereich beleuchtete und ihm noch mehr von der Frau enthüllte, als er bereits gesehen hatte. Bevor sie hinaufstiegen, blieb sie stehen und klammerte sich an ihn.
    “ Ich habe Angst, ganz schreckliche Angst”, stieß sie hervor.
    Du lieber Himmel, dachte er, in was gerate ich hier denn nur hinein. Da gehst du, wie so oft, an einem schönen Sommerabend noch ein bisschen spazieren – und dann passiert dir so etwas. Am besten siehst du zu, dass du schleunigst von hier weg kommst.
    “ Nun bleiben Sie doch mal ruhig”, sagte er und versuchte sich vorsichtig loszumachen. “Was ist denn eigentlich los mit Ihnen?”
    “ Ich brauche Hilfe, dringend. Jemand muss mir helfen. Helfen Sie mir? Bitte sagen Sie Ja, helfen Sie mir, bitte!”, fuhr sie in einem solch verzweifelten, flehenden Ton fort, dass ihn ein ungutes Gefühl überkam, dem jedoch noch etwas anderes beigemischt war, das er nicht hätte benennen können.
    “ Kommen Sie, kommen Sie mit”, drängte sie und nahm seine Hand, um vorauszugehen. Er konnte nicht anders, als ihr zu folgen, den Blick unwillkürlich auf das Muskelspiel ihres nackten Gesäßes geheftet, wobei er gegen ein diffuses Gefühl von Scham ankämpfte. Sie betraten die von zwei herabgedimmten Wandlampen matt erhellte Diele, auf deren Terrakottafliesen einige weibliche Kleidungsstücke verstreut lagen. Doch die bemerkte er nur mit halbem Blick. Der wesentlich größere Teil seiner Aufmerksamkeit wurde von etwas anderem beansprucht.
    Der Mann lag auf der Schwelle der Tür zur Küche, die von der Diele abging und in der ebenfalls Licht brannte. Zunächst sah er von ihm nur die Beine, die leicht gespreizt in die Diele ragten. Die Füße steckten in braunen geflochtenen Slippern. Der Oberkörper befand sich auf dem schwarzweiß gefliesten Küchenboden. Es handelte sich um einen ziemlich großen, ziemlich kräftigen Mann, soweit sich das aus dieser Perspektive abschätzen ließ. Er war mit einem hellen, modisch geschnittenen Anzug bekleidet, dessen Jackett nicht zugeknöpft war und die Brust freigab, sowie mit einem Hemd, das er am Hals offen trug. Das Hemd war rosafarben. Zumindest war es das einmal gewesen. Jetzt war der größte Teil dessen, was davon sichtbar war, in ein dunkles Rot getaucht. Den Mittelpunkt des großen dunkelroten Fleckens bildete der schwarze Kunststoffgriff eines Messers, der daraus hervorragte.
    Verdammt, dachte er abermals, wo bin ich hier bloß hineingeraten, und tausend Fetzen von Gedanken wirbelten ihm durch den Kopf, verschlangen und verknoteten sich und stieben wie ein irrer Schwarm wieder auseinander. Er musste an das viele

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