Die Frau an Seiner Seite
teil. Dabei ging es nicht allein um geistige Strömungen des politischen Katholizismus, Liberalismus und Sozialismus, sondern auch um einfache methodische Fragen des politischen Handwerks. Ebenfalls nicht ganz unerheblich: Bei Pfarrer Fink gab es immer etwas zu essen und zu trinken, Kaffee und Kuchen, vor allem aber pfälzische Wurstspezialitäten.
Kohl engagierte sich als Ortsvorsteher der Jungen Union, spürte aber schon früh, wie wichtig eine zielstrebige Arbeit in der Mutterpartei war. Bereits 1948 nahm er mit Sitz und Stimme als Delegierter an allen wichtigen Parteiveranstaltungen teil. Im ersten Bundestagswahlkampf 1949 befand sich der Ludwigshafener an vorderster Front beim Plakatekleben und bei zentralen Kundgebungen in der Pfalz. Seinen ersten öffentlichen Auftritt als Wahlredner hatte Kohl am Vorabend der Bundestagswahl am 13. August 1949 in Mutterstadt, der neuen Heimat seiner Freundin Hannelore Renner. In den folgenden Jahren arbeitete Kohl als CDU-Delegierter, reiste kreuz und quer durch das »Land aus der Retorte«, knüpfte landesweit Kontakte und wurde mit kritischen Äußerungen über die Honoratioren der CDU in Rheinland-Pfalz bekannt.
Im Wintersemester 1950/51 nahm er sein Studium an der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität in Frankfurt am Main auf. In der Staatsrechtlichen und Philosophischen Fakultät eingeschrieben, hörte er Vorlesungen in Nationalökonomie und besuchte ein erstes Proseminar. Der junge Student war fasziniert von Professoren mit glanzvollen Namen wie Walter Hallstein und Carlo Schmid. In den Semesterferien jobbte er als Steinschleifer in der BASF. Sechs Jahre lang besaß er dort einen Stammplatz für diesen schmutzigen, aber gut bezahlten Job.
Wegen des beträchtlichen Aufwands, den das Pendeln zwischen Ludwigshafen und Frankfurt verursachte, wechselte Kohl die Universität und schrieb sich im Wintersemester 1951/52 an der Juristischen und Philosophischen Fakultät der Universität Heidelberg ein. Von der zunächst beabsichtigten juristischen Laufbahn kam er im vierten Semester ab und wählte als Hauptfach Geschichte, sowie Staatsrecht, Öffentliches Recht und Politische Wissenschaften als Nebenfächer. In den ersten Proseminaren hatte er wegen bescheidener Sprachkenntnisse vor allem in Latein große Schwierigkeiten. Die meisten akademischen Lehrer zeigten Verständnis für sein politisches Engagement und förderten ihn, wo immer es möglich war. Vom Wintersemester 1955 an konzentrierte sich Kohl auf seinen Studienabschluss und begann mit seiner Doktorarbeit bei Professor Walter Peter Fuchs. Das Thema hatte er selbst gewählt: »Die politische Entwicklung in der Pfalz und das Wiedererstehen der Parteien nach 1945.« Anfang 1958 lieferte er die 160 Seiten umfassende Doktorarbeit ab, überstand das Promotionsverfahren mit der mündlichen Prüfung Ende Juli des gleichen Jahres erfolgreich und erreichte immerhin die Gesamtnote »cum laude«. Kohls Dissertation war zwar aus seiner praktischen Parteiarbeit heraus entstanden, kann aber neben seinem unaufhörlichen Parteiengagement dennoch als beachtlicher Erfolg gewertet werden. Mit seinem Abschluss des Studiums zum Dr. phil. stand er nun vor der Entscheidung, Politik zu seinem Haupt- oder nur zu seinem Nebenberuf zu machen.
Hannelore hatte Helmuts Doktorarbeit getippt, wie zuvor schon so manche Seminararbeit. Sie begleitete ihn gerne zu Wahlveranstaltungen und war an seiner Seite, wenn er Auftritte vor Publikum hatte. Hannelore, die im Alter von 17 Jahren mit einer Ausnahmegenehmigung den Führerschein erworben hatte, machte Autofahren zu ihrem Hobby und fuhr den Freund wann immer es ging zu Terminen. Gerne gingen die beiden jungen Leute schwimmen, reisten gemeinsam in das benachbarte Elsass, unternahmen Radtouren in den Schwarzwald und übernachteten in Jugendherbergen. Während Hannelores Pariser Au-pair-Zeit schrieben sich die beiden nicht nur unzählige Briefe. Der verliebte Helmut Kohl besuchte sie auch mit einigen Freunden in der französischen Hauptstadt. Spätestens seit dieser Begegnung in Paris stand für beide fest, ihr Leben künftig gemeinsam zu gestalten. Hannelore, die mit Gefühlsäußerungen ansonsten außerordentlich geizte, zeigte Helmut in Anwesenheit seiner Freunde unverhohlen ihre Zuneigung. Es war – nach ihren eigenen Worten – Liebe auf den zweiten Blick.
Wenige Wochen später dann der Schicksalsschlag, der Tod von Vater Wilhelm Renner, der Helmut längst in sein Herz geschlossen hatte, wenngleich er
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