Die Frau an Seiner Seite
Helmuts Studienverpflichtungen und begleitete ihn bei seinen politischen Aktivitäten. Mit dem CDU-eigenen VW ging es von Parteiveranstaltung zu Parteiveranstaltung und zu Wahlkampf-Kampagnen. Bei diesen Reisen saß Hannelore meist am Steuer, chauffierte ihren Geliebten bei Nacht und Nebel, Schnee und Eis kreuz und quer durch Rheinland-Pfalz. Sie genoss die Zeit an seiner Seite und freute sich auf die gemeinsame Zukunft. Helmuts Heiratsantrag hatte sie längst angenommen – sobald er »fest im Beruf stand«, wollte das Paar heiraten. Bis es soweit war, mussten noch weitreichende Entscheidungen gefällt werden.
WEICHENSTELLUNG
Zwischen der Urlaubsreise zum Neusiedlersee in Österreich, auf der sich das junge Paar verlobt hatte, und Helmut Kohls Kandidatur für den Rheinland-Pfälzischen Landtag lagen nur wenige Monate. 1955 hatte Kohl noch auf eine Bewerbung um das Landtagsmandat verzichtet, weil er vorher sein Studium abschließen wollte. Nie hatte er einen Hehl aus seinem leidenschaftlichen Interesse an einer politischen Karriere gemacht. In seiner Heimatstadt war er parteipolitisch fest verankert. Jetzt hatte er ein klares Ziel vor Augen, nämlich bei der Landtagswahl 1959 in den Mainzer Landtag einzuziehen. Es gab damals allerdings keinen Abgeordneten, der seinen beruflichen Werdegang allein von einem Parlamentsmandat abhängig gemacht hätte. Auch für den Pfälzer – und vor allem für seine zukünftige Ehefrau – war ein krisenfester Beruf ganz wichtig. Bei allem politischen Engagement wollte Kohl unabhängig bleiben. Damals hätte er bei der BASF, dem größten Unternehmen der Stadt, mit Hilfe hochrangiger Förderer eine Anstellung bekommen können. Doch Kohl nahm das Angebot des Ludwigshafener Unternehmers Walter Mock an, als Direktionsassistent in dessen Betrieb einzutreten. Die Eisengießerei Mock mit etwa 250 Mitarbeitern gehörte zu den gesunden mittelständischen Unternehmen in Ludwigshafen. Als »Mädchen für alles« war der Achtundzwanzigjährige vor allem damit beschäftigt, Grundstücke von den Nachbarn der Gießerei zu kaufen. Nach einem Jahr wechselte er als Referent zum Verband der chemischen Industrie in Ludwigshafen. Dank seiner schnellen Auffassungsgabe, seines Organisationstalents und seiner Menschenkenntnis konnte er sich von anderen Referenten absetzen, zeigte Teamgeist, Leistungsbereitschaft und die Fähigkeit, Auseinandersetzungen beizulegen. Hierbei kam ihm seine langjährige Parteiarbeit zugute. Helmut Kohls Zuständigkeit lag in der Wirtschafts- und Steuerpolitik. Verantwortung trug er außerdem für die Finanz-, Zoll- und Umweltprobleme. Seine Haupttätigkeit zwischen den Jahren 1959 und 1969 bestand darin, die Mitgliedsfirmen des Chemieverbandes über neue Gesetzgebungsmaßnahmen zu informieren und entsprechend zu beraten. Eine Arbeit, die gemeinhin als Vollzeitjob galt. Dennoch saß Helmut Kohl seit 1959 im Rheinland-Pfälzischen Landtag und führte von 1960 an bis 1969 auch noch die CDU-Fraktion im Ludwigshafener Stadtrat. Als Referent beim Chemieverband kam er in Kontakt mit den Bossen der Chemiefirmen seines Landes und gewann Einblicke in das Innenleben eines schwergewichtigen Industrieverbandes. Er lernte verschiedene unternehmerische Strategien kennen und bekam hautnah mit, wie in der Industrie viel Geld verdient – und unter Umständen auch wieder verloren wurde. Seine Tätigkeit beim Chemieverband wäre der sichere Job gewesen, den sich vor allem Hannelore für ihren Zukünftigen gewünscht hätte. Doch innerlich hatte Helmut Kohl längst eine andere Entscheidung getroffen.
Mit dem Eintritt in den Mainzer Landtag waren die Weichen für die nächsten Jahre gestellt: Politik würde den Beruf zunehmend in den Hintergrund drängen. Eine Doppelbelastung, die kaum Zeitfenster für Privates und Persönliches ließ. Nicht nur deshalb zeigte sich Hannelore eher skeptisch. Wenn auch Helmut Kohl in seinen Memoiren unterstreicht, Hannelore habe gegen seine Landtagskandidatur keine Einwände gehabt, spricht vieles dafür, dass sie sich eher einen Mann gewünscht hätte, der als erfolgreicher Banker, Manager oder hoher Verbandsfunktionär Karriere gemacht hätte. Doch sie hatte keine Chance, an dieser beruflichen Weichenstellung zu drehen. Ihr Einfluss auf Helmut Kohls politischen Werdegang blieb bis zu ihrem Tod 2001 äußerst gering. Der Pfälzer stieg auf seiner Karriereleiter unaufhörlich weiter, ohne dass er Einwände, Bedenken oder dringende Bitten seiner Frau in nennenswerter
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