Die Frau an Seiner Seite
dessen parteipolitisches Engagement eher verachtete. In dieser schweren Phase bot ihr Helmut Schutz und Geborgenheit. Dieser Pfälzer mit seiner fast unbegrenzten körperlichen Energie verbreitete Optimismus und schenkte ihr ein Stück Zukunft. Hannelore, deren unbeschwerte Kindheit so jäh zu Ende gegangen war, die mit zwölf Jahren schon erwachsen hatte werden müssen, suchte einen starken Mann, der ihr das Gefühl tiefen Vertrauens vermittelte, der Führungsqualitäten besaß, ihr eine Heimat bot und das Leben einfach in die Hand nahm. Das alles fand sie bei Helmut Kohl, dem bestimmenden und willensstarken Tatmenschen, der keinem Konflikt aus dem Weg ging. Er, der seine Interessen erfolgreich durchzusetzen vermochte, war für Hannelore der Idealtyp eines Mannes, dem sie nach dem Tod ihres Vaters blind vertraute. Aus der zaghaft begonnenen Freundschaft entwickelte sich mit der Zeit Liebe.
Helmuts Eltern, die sich mit dem Gedanken anfreunden mussten, eine Schwiegertochter nicht katholischen Glaubens zu bekommen, akzeptierten das attraktive Leipziger Flüchtlingskind, mit dem sich ihr Sohn gerne schmückte, nach anfänglichem Zögern. Vor allem das Verhältnis zwischen Hannelore und Helmuts Vater entwickelte sich zu einer sehr engen Beziehung. Mutter Cäcilie hingegen war – ähnlich wie Irene Renner – eine eigensinnige, kühle und distanzierte Frau, die kaum Empathie zeigen konnte. Das Verhältnis zwischen ihr und Hannelore blieb ebenso kühl wie das Klima zwischen Helmut und Irene, das sich erst mit Kohls Aussicht auf eine politische Karriere verbesserte.
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Hannelore hatte nach dem Tod des Vaters ihre gerade gewonnene Eigenständigkeit wieder aufgeben müssen. Gemeinsam mit ihrer Mutter unter einem Dach zu leben, fiel ihr nicht leicht. Mit Neid blickte sie auf ihren Freund Helmut, der sich wohlfühlte in seinem Elternhaus und täglich von Ludwigshafen nach Heidelberg und zurückfuhr.
Hannelores Tätigkeit bei BASF begann morgens um 7:30 Uhr. Zwischen 12 und 13 Uhr war Mittagspause, dann ging es weiter bis 18 Uhr, anfangs auch samstags. Die klassische 6-Tage-Woche bei drei Wochen Urlaub im Jahr. Aus Hannelores Arbeitszeugnissen, die Sohn Peter in der Biografie seiner Mutter ausgewertet hat, geht hervor, dass sie in den insgesamt sieben Jahren ihrer Anstellung auf größere berufliche Karriersprünge verzichten musste. Sie begann als »fremdsprachliche Stenotypistin« und schrieb für die Abteilung »Verkauf, Export und Farben«. Im Mittelpunkt stand dabei die kaufmännische und technische Korrespondenz in deutscher, englischer und französischer Sprache. Von Anfang 1955 bis Ende 1957 arbeitete sie in der sogenannten »Gruppe Afrika«. Die Welt des Ludwigshafener Chemiegiganten war in Kontinente aufgeteilt. In dieser Abteilung musste sie in deutscher, englischer, französischer und italienischer Sprache nach Diktat sowie nach Tonbandaufzeichnungen schreiben. Damals gab es noch keine elektrischen Schreibmaschinen, so dass Fehler mühsam korrigiert werden mussten. Die Arbeitsatmosphäre unter den sechs weiblichen Angestellten, die sich ein Zimmer teilen mussten, soll kollegial und angenehm gewesen sein. Hannelore galt als freundlich, kameradschaftlich, zurückhaltend und bescheiden. Klatsch und Tratsch lagen ihr fern. Es entwickelten sich über die beruflichen Verantwortlichkeiten hinaus Freundschaften, die zum Teil viele Jahre Bestand hatten. Hannelores Gehalt entsprach den damaligen Tarifen in der Chemieindustrie und bewegte sich zwischen 300 und 400 Mark. 1957 konnte auf dem Werksgelände das Friedrich-Engelhorn-Hochhaus, die neue Verwaltungszentrale der BASF, bezogen werden. Für Hannelore und ihre Kolleginnen bedeutete dies eine spürbare Verbesserung der Arbeitsbedingungen. Mit der positiven räumlichen Veränderung ging eine erfreuliche Beförderung einher. Hannelore stieg zur ersten Sekretärin des Gruppenleiters auf. Fortan musste sie die vielen Überseereisen ihres Chefs vorbereiten, Statistiken führen und mehr als früher eigenständig Korrespondenz erledigen. Zu der neuen Herausforderung gehörte auch die Betreuung von in- und ausländischen Kunden, bei denen sie ihr Sprachtalent unter Beweis stellen konnte. Endlich hatte sie ein Stück Eigenständigkeit bekommen und einen Verantwortungsbereich, der ihr Selbstwertgefühl erheblich festigte. Nebenbei gab es eine geringfügige Gehaltserhöhung, die zu ihrer guten Stimmung beitrug.
Parallel zu den beruflichen Herausforderungen unterstützte sie
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