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Die Frau aus Alexandria

Die Frau aus Alexandria

Titel: Die Frau aus Alexandria Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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das sich im Schwurgerichtssaal abspielte.
    »Wenn das der Regierung mal nich den Hals bricht«, sagte der Mann, als beantworte er damit eine Frage, die Pitt nur gedacht hatte. »Ha’m nur ’ne winzige Mehrheit im Unterhaus – dann so ’n Weib als Liebchen von ’nem wichtigen Minister. Das gibt in Manchester jede Menge Ärger.« Er verzog den Mund zu einem Grinsen. »Die Verteidigung macht garantiert keinen Stich, denn die steht
mit leeren Händen da. Ich hatte gedacht, das würde spannender. Mal seh’n, vielleicht komm ich morgen wieder.« Mit diesen Worten schob er sich durch das Gedränge davon.
    Pitt trat wieder näher an die Tür, weil er hoffte, von dort aus Narraway besser sehen zu können, sofern er dort war.
    Fast hätte er ihn verpasst und holte ihn erst kurz vor der Treppe nach draußen ein, wo er ihn von hinten anstieß, um sich bemerkbar zu machen. Verärgert sah sich Narraway um, weil er wohl glaubte, ein Fremder habe ihn angerempelt, dann erkannte er Pitt. »Nun?«, fragte er gespannt.
    »Wie ist es da drin gegangen?«, wollte Pitt wissen.
    Narraway blieb stehen und sah ihn mit großen Augen an. »Sind Sie etwa hergekommen, um mich das zu fragen?« In seiner Stimme lag eine gefährliche Drohung. Pitt sah die scharf eingegrabenen Falten im Gesicht seines Vorgesetzten, ein Hinweis auf die große Anspannung, unter der Narraway stand. Er beherrschte sich nur mit Mühe. Er hatte keine Möglichkeit gefunden, Ryerson zu helfen, und wieder einmal merkte Pitt, dass die Sache für Narraway von großer Bedeutung war — aus welchem Grund auch immer.
    Narraway wartete.
    »Nein, sondern um Ihnen zu sagen, dass Arnold Yeats, der vierte Mann aus der Gruppe, nicht mehr am Leben ist«, gab Pitt zurück. »Lovat wurde ermordet, Garrick ist verschwunden, und Sandeman lebt als sonderbarer Heiliger in den Gassen um Seven Dials.«
    Narroway stand wie erstarrt. »Ach nein. Und woher haben Sie diese Weisheit?«
    »Ich habe mich im Kriegsministerium erkundigt!« Das war die nahe liegende Antwort. Dann begriff er, dass Narraway mit seiner Frage nicht Yeats, sondern Garrick und Sandeman gemeint hatte.
    »Halten Sie Ihre Frau aus der Sache heraus, Pitt!«, sagte Narraway leise, aber mit Schärfe in der Stimme. Ohne auf Pitts aufflammenden Zorn zu achten, fuhr er mit verkniffenem Gesicht fort: »Bisher ist sie meines Wissens als Einzige dahintergekommen, dass eine Beziehung zwischen Lovat, Garrick und Sandeman besteht –
und ich habe nach wie vor keine Ahnung, was hinter dem Ganzen steckt.« Mit so festem Griff, dass es schmerzte, fasste er ihn am Ellbogen und zog ihn aus dem Gedränge zu einem Seiteneingang.
    »Steht es so schlimm?«, fragte Pitt. Er konnte sich die Antwort denken.
    Narraway lehnte sich an den steinernen Torbogen. Er wirkte verkrampft und unruhig. »Die Anklage versucht gar nicht erst, Beweise für Schuld oder Schuldlosigkeit zu finden«, sagte er bitter. »Sie setzt die Schuld als gegeben voraus. Ich habe den Eindruck, dass das auch für die Geschworenen gilt. Jetzt geht es nur noch darum, ob die Regierung den Skandal überleben kann. Hier ist derselbe Instinkt am Werk, der die Menschen dazu bringt, dass sie Treibjagden veranstalten oder wilde Tiere jagen — sie genießen es, zuzusehen, wie ein Wesen in den Schmutz gezerrt wird, das edler und kraftvoller ist als sie selbst. Ihnen geht jede Fähigkeit ab, etwas zu erschaffen, sie können nichts als zerstören und finden darin ihre Befriedigung.«
    Beim Anblick des Ausdrucks von hilfloser Wut auf Narraways Zügen erfasste Pitt eine Welle des Mitgefühls. »Wollen Sie damit sagen, dass die Sache, ob zufällig oder absichtlich, auf jeden Fall auf der politischen Ebene ausgetragen wird?«, fragte er.
    Zorn trat in Narraways Augen und verschwand gleich wieder. »Ich weiß es nicht!«, sagte er. In seiner Stimme schwang ein Unterton von Verzweiflung mit.
    »Ich kann mir nicht vorstellen, dass Ayesha Sachari so dumm gewesen sein sollte, einen Mann zu ermorden, mit dem sie nichts mehr zu tun hatte und aus dem sie sich schon längst nichts mehr machte«, sagte Pitt. Ihm war elend.
    »Und wenn sie nun darauf aus war, Ryerson zu stürzen, sofern sie eine Möglichkeit dazu hatte?«, fragte Narraway, dessen Augen vor unterdrückter Wut fast schwarz glänzten.
    »Sie ist als Idealistin ins Land gekommen, überzeugt, etwas für die wirtschaftliche Unabhängigkeit ihres Volkes tun zu können«, sagte Pitt im Brustton der Überzeugung. »Diese Vorstellung ist nicht

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