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Die Frau aus Alexandria

Die Frau aus Alexandria

Titel: Die Frau aus Alexandria Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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Narraways Züge. Er wirkte unsicher und betrübt. Es sah ganz so aus, als schmerze ihn etwas. Es kostete ihn sichtlich große Mühe, sich wieder zu fassen und auf seine Antwort zu konzentrieren. »Ehrlich gesagt bezweifle ich das allein schon deshalb, weil er als Lügner dastehen würde, wenn die Sache vor Gericht käme. Schließlich hat sich Miss Sachari entschieden, seine Anwesenheit zu bestreiten, während die Polizei weiß, dass er am Tatort war. Immerhin ist er jemand, den man auf den ersten Blick erkennt.«
    »Ach ja?« Pitt versuchte sich ein Bild des Mannes in Erinnerung zu rufen, doch da war nichts. »Ich glaube, ich habe ihn noch nie gesehen.«
    »Er ist groß und kräftig«, sagte Narraway mit belegter Stimme. »Mindestens eins fünfundachtzig, breitschultrig und mit einem mächtigen Brustkasten. In jungen Jahren war er ein guter Sportsmann.« Trotz der darin liegenden Anerkennung klangen diese Worte, als müsse er sich zwingen, Ryerson Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Aus irgendeinem Grund schien ihm das nicht recht zu sein.
    »Kennen Sie ihn, Sir?«, fragte Pitt und wünschte sogleich, er hätte die Frage, so berechtigt sie war, nicht gestellt. Irgendetwas an Narraways Gesicht zeigte, dass er eine Grenze überschritten hatte.
    »Ich kenne jeden«, gab dieser zur Antwort. »Das gehört zu meinem Beruf und übrigens auch zu Ihrem. Man hat mich wissen lassen, dass der Premierminister wünscht, Mr Ryersons Namen aus dem Fall herauszuhalten, soweit das menschenmöglich ist. Er hat keine Anweisungen gegeben, auf welche Weise das geschehen soll, und ich nehme an, er möchte es auch gar nicht so genau wissen.«
    Pitt konnte seinen Zorn über die Ungerechtigkeit nicht für sich behalten, die unausgesprochen darin lag, und der Gedanke, man
könnte annehmen, er werde so etwas als selbstverständlich hinnehmen, war ihm in tiefster Seele zuwider. »Wunderbar«, gab er zurück. »Wenn wir ihm dann mitteilen müssen, dass es nicht menschenmöglich war, besitzt er auch keine Informationen, die es ihm erlauben würden, uns zu widersprechen.«
    Auf Narraways Züge trat nicht einmal ein Anflug von Belustigung; selbst der übliche spöttische Ausdruck seiner Augen war verschwunden. Es war, als berühre diese Angelegenheit bei ihm eine noch nicht vollständig vernarbte Wunde. »Ich werde Mr Gladstone die Antworten übermitteln, nicht Sie, und ich denke nicht daran, ihm mitzuteilen, dass es uns nicht gelungen ist, seinen Auftrag zu erfüllen – es sei denn, ich könnte beweisen, dass es bereits unmöglich war, bevor wir angefangen hatten. Gehen Sie zu Ryerson. Wenn wir ihn retten sollen, können wir es uns nicht leisten, im Dunkeln zu tappen. Ich muss die Wahrheit wissen, und zwar sofort, nicht erst, nachdem die Polizei sie Stück für Stück zusammengeklaubt hat – oder gar, Gott bewahre, der ägyptische Botschafter!«
    Pitt war verwirrt. »Sie haben gesagt, dass Sie mit Mr Ryerson bekannt sind. Wäre es da nicht weit besser, wenn Sie selbst mit ihm sprächen? Gewiss würde Ihre hohe Stellung nicht ohne Eindruck blei...«
    Narraway sah mit zornigem Blick auf. Die Knöchel seiner schmalen Hand auf der Tischplatte waren weiß. »Auf Sie jedenfalls scheint meine hohe Stellung keinerlei Eindruck zu machen, sonst würden Sie ohne Widerrede tun, was man Ihnen sagt. Ich habe Ihnen keinen Vorschlag gemacht, Pitt, sondern eine dienstliche Anweisung erteilt, und ich denke nicht daran, nähere Erläuterungen dazu abzugeben. Ich muss dem Premierminister Rechenschaft ablegen, ganz gleich, ob ich Erfolg habe oder versage – und Sie mir.« Mit rauer Stimme fügte er hinzu: »Suchen Sie Ryerson auf. Ich will alles über seine Beziehung zu dieser Frau wissen sowie Einzelheiten über die Vorfälle der fraglichen Nacht. Melden Sie sich, sobald Sie etwas zu berichten haben – am besten gleich morgen früh.«
    »Sehr wohl, Sir. Wissen Sie, wo ich ihn um diese Tageszeit antreffe? Oder soll ich mich umhören?«
    »Das kommt überhaupt nicht infrage!«, fuhr ihn Narraway mit hochroten Wangen an. »Außer ihm persönlich werden Sie keinem Menschen sagen, wer Sie sind und was Sie von ihm wollen. Fangen Sie in seinem Haus am Paulton Square an. Ich glaube, es hat die Nummer sieben.«
    »Ja, Sir, danke.« Pitt bemühte sich, seine Empfindungen aus seiner Stimme herauszuhalten. Er machte auf dem Absatz kehrt und verließ den Raum. So unlieb ihm der Auftrag war, so sehr überraschte er ihn. Es wunderte ihn, dass Narraway in einer

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