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Die Frau aus Flandern - eine Liebe im Dritten Reich

Die Frau aus Flandern - eine Liebe im Dritten Reich

Titel: Die Frau aus Flandern - eine Liebe im Dritten Reich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Seidert
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liegend träumt er davon, sie in seinen Armen zu halten »wie am letzten Sonntag«, er stellt sich vor, wie sie, es ist zwei Uhr in der Nacht, »süß in ihrem Bettchen schläft und süß von ihrem Suske und seinem kleinen Janyke träumt.«
    Liebesbriefe sind sensible Post, nur für zwei Menschen gedacht – besonderes dann, wenn sie einer nicht rein platonischen Liebe entspringen. Außerdem wird Ady schließlich in ein paar Tagen zwanzig Jahre alt. Offenbar hat auch Gus einen Kose- oder Spitznamen, Suske, wenn wir richtig entziffern.
    Meine ganz kleine Amourke, wenn du willst, werden wir versuchen, so schnell wie möglich zu heiraten, damit wir nicht nur träumen müssen, weil es sehr viel schöner wäre, weißt du, meine liebe kleine Amourke, man könnte süß zusammen schlafen, einer nah am anderen, mit deinem süßen kleinen Köpfchen auf meiner Schulter, damit ich dich zärtlich umarmen kann, jedes Mal, wenn ich aufwache.
    Meine süße kleine Amourke, ich würde dir sehr gerne viel schreiben, aber ich bin so müde und es ist so dunkel hier, dass ich mein Papier beinahe nicht mehr sehe.
    Also sage ich dir noch einmal, wie sehr ich dich liebe und wie sehr ich dich anbete, wenn ich morgen zu dir komme. Jetzt aber werde ich mich schnell auf meine Planken legen. Ich umarme dich ganz zärtlich und wünsche dir die süßeste, glücklichste, charmanteste, verliebteste aller Nächte, und wünsche von ganzem Herzen, dass du ein bisschen von deinem Menneke träumst, wie dein Menneke gleich von seiner lieben, kleinen, angebeteten Femmeke träumen wird.
    Dein Menneke, der dich immer anbeten wird
    Der Mai 1933 war kein heiterer Monat: Während »Menneke« in der Kaserne von seiner »Amourke« träumte, brannten in Deutschland die Bücher. Zahlreiche Autoren und Publizisten verließen daraufhin das Reich und waren in den Folgejahren auf die Asylbereitschaft anderer Länder angewiesen. Einer der Orte, die als sicheres Ziel vieler Emigranten galten, war Antwerpen.
    Im Deutschen Reich hatten die Nationalsozialisten 1933 die Wahlen gewonnen, militarisierten entgegen den Vereinbarungen von Versailles zivil verordnete Bereiche wie die Luftfahrt, führten 1935 die Wehrpflicht wieder ein und besetzten 1936 die entmilitarisierte Rheinzone.
    Am Strand von Sint Anna, 1933.
    Die Stadt der Garnison, die Gus erwähnt, ist die Kleinstadt Brasschaat im Nordwesten Antwerpens, nur etwa 15 Kilometer entfernt. Sie wird wegen ihrer weitläufigen Parkanlagen auch das »Versailles Antwerpens« genannt. Im Jahr 1909 bereits hatte dort die belgische Militärluftfahrt mit der Aufstellung einer Luftschifferkompanie begonnen. Aus einer privaten Flugschule und ersten Versuchen mit Doppeldeckern, auf die ein Maschinengewehr montiert wurde, entstand schließlich eine Fliegerkompanie. In einer jener Kasernen war, so macht es der Brief deutlich, der verliebte Gus stationiert.
    Noch heute liegen Artillerie und ein Fliegerhorst bei Brasschaat. Die Kasernen kamen erst kürzlich ins Gespräch, als die Öffentlichkeit erfuhr, dass die belgischen Streitkräfte eine schlechte Zahlungsmoral haben. Anscheinend geben sie all ihr Geld für Auslandseinsätze beispielsweise in Afghanistan aus, aber zahlen ihre Rechnungen zuhause nur zögerlich, was die Stadtwerke Brasschaat beinahe dazu brachte, den Kasernen das Wasser abzudrehen.
    Briefauszug von Gus, 30. 5. 33.
    Welcher Einheit Gus angehörte, wissen wir nicht, möglicherweise war er Flieger, einer der fescheren Sorte. Ady und er machten Radausflüge in der »Kalmthoutse Heide« rund um Brasschaat, gingen baden am See und lagen auf Decken auf dem warmen Sandboden. Auf der Rückseite eines der Fotos vom Strand steht ein Name: Jefke Mareyek. In der gleichen Handschrift wie die in den Liebesbriefen – wieder benutzt jemand mehrere Namen. Warum, bleibt auch hier ein Geheimnis. Die Schrift ist stets die gleiche, schwungvoll, recht klein und beinahe weiblich. Nennen wir ihn der Einfachheit halber Gus-Suske-Jefke.
    Gus-Suske-Jefke war sehr in Ady verliebt, zumindest zu dem Zeitpunkt, als er seine rosalila Briefe schrieb. Die Liebe war aber wohl zwei Jahre später bereits vorbei. Konnte oder wollte Ady seine Gefühle nicht in dem Maß erwidern, wie er sich das erträumt hat? In seinen Briefen macht er übrigens genauso wie später andereMänner aus seiner großen Bewunderung für seine petite femmeke keinen Hehl.
    Ady muss etwas ungemein Anziehendes an sich gehabt haben. Bis ins hohe Alter galt sie als charmante und allseits

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