Die Frau aus Flandern - eine Liebe im Dritten Reich
beliebte Frau. Klein und zierlich wie sie war, weckte sie wohl auch Beschützerinstinkte, von denen es bei dem einen oder anderen Verehrer allerdings nicht weit war bis zur Kontrolle, zu Eifersucht und Besitzansprüchen. »Meine kleine Amourke, warst du auch brav heute und vor allem gehst du heute Abend nicht aus? Ich hoffe das sehr, weißt du meine liebe kleine Amourke, weil wenn nicht, dann wäre dein Menneke sehr traurig und außerdem wäre das von dir nicht sehr nett, weißt du, meine Liebste! Aber du hast es ja nicht gemacht, nicht wahr, meine liebe kleine Adyke, weil dein Menneke dich viel zu sehr liebt, als dass du so böse zu ihm sein könntest. Weil dein Menneke dich sehr liebt, weißt du, kleine Femmeke, oder besser gesagt, dein Menneke betet dich an!« Das hat Gus-Suske-Jefke auch nicht weitergeholfen.
Ady mit Freundin 1928 und mit Maria 1930.
Ady hat sich umgesehen, sie hat geflirtet, wahrscheinlich warsie wie die meisten Menschen in ihrem Alter auf der Suche nach der großen Liebe, die ein ganzes Leben lang halten soll. Sie war jung, sie liebte das Leben, die schönen Dinge und probierte sich aus. Sie fand sich selbst schön und ließ sich gern anschauen und fotografieren. Welche Zukunft hat sie für sich erträumt? Wollte sie heiraten, Kinder haben? Die Auswahl unter mehreren Bewerbern hatte sie. Da war ein für uns namenlos gebliebener schlanker Mann am Baum, der gleiche, der 1935 neben Ady am Badehaus sitzt. Ein anderes Bild zeigt ihn in eleganter Runde zusammen mit deutschen Militärs. Und er könnte derjenige gewesen sein, der sie in St. Laurent auf dem Steg an der Hand hält. Das war etwa zu der Zeit, als Adolf Hitler sich und der Welt sein mörderisches Ziel setzte: »Die deutsche Wirtschaft muss in vier Jahren kriegsfähig sein.«
Ady mit Gus-Suske-Jefke (im Badekostüm) und Freundin am Strand von Sint Anna, 1935.
Ein anderer ist ein eher stämmiger Mann, der mit der gleichen Gruppe wie Ady 1936 nach Holland fährt. Die jungen Leute machen Station in Rotterdam und Amsterdam. Der Schmale, der neben Ady am Badehaus saß, ist ebenfalls mit von der Partie, aber es sieht so aus, als seien Adys Gefühle für ihn nicht eindeutig, denn auf einem der Bilder schmiegt sie sich in den Arm des breit gebauten Mannes mit blondem rundem Kopf. Ady wird sich mal an die Seite des Wagemutigen geträumt haben, der sie ungeahnte Abenteuer würde erleben lassen, ein andermal neben den dunkel Lockenden mit der irritierenden Erotik oder an die Seite des guten Versorgers, des zuverlässigen Vaters ihrer Kinder. Und sie wird alle an Firmin, ihrem Vater, gemessen haben, so wie das junge Mädchen tun, auch ohne sich dessen bewusst zu sein.
In Adys Nachlass fand ich Fotos von König Leopold III. undseiner schönen Frau, Königin Astrid. Leopold folgte seinem Vater Albert, der die Belgier so charismatisch als oberster Befehlshaber durch den Weltkrieg begleitet hatte, 1934 auf den Thron. Er sollte sich nicht so geschickt anstellen. In seinen jungen Jahren war er ein schmucker König und heiratete die schwedische Prinzessin Astrid, die eine gewisse Ähnlichkeit mit Adriana hatte. Ady pinnte die Fotografien der beiden mit Stecknadeln an die Wand, die kleinen Löcher sind noch zu sehen. Hat Ady sich in Astrid wiedergesehen, diese Ähnlichkeit mit ihr wahrgenommen und sich ein Leben an der Seite eines attraktiven, vielleicht bedeutenden Mannes erträumt? Oder hatte das Faible für Leopold noch einen anderen Hintergrund? Leopolds Rolle im Zweiten Weltkrieg wenige Jahre später gilt als zwiespältig. Im Gegensatz zur niederländischen Königsfamilie, die ins Exil nach London ging, blieb der belgische Monarch nach der Kapitulation 1940 im Land. Anders als seine Regierung, die sich nach Frankreich und später nach England begab, betrachtete sich Leopold im Schloss Laeken als Kriegsgefangenen der Deutschen. Doch ihm wurde eine gewisse Nähe zu den Nazis nachgesagt, anders wollten seine Landsleute die Reise ihres Königs zu Hitler auf den Obersalzberg am 19. Oktober 1940 nicht interpretieren. 1950 schließlich zwangen sie ihn zur Abdankung.
Ausgelassen beim Zelten, 1936 in St. Laurent.
Ady und ein unbekannter Verehrer, 1935.
Ady hob die Fotos die ganzen Jahre über auf. Fühlte sie sich auch zu den Ideen der Nationalsozialisten hingezogen? War sie doch politischer als ich annahm, hatte sie eine Überzeugung, die sie in die Nähe der Nazis brachte?
Patriotismus – oder Faschismus?
Im Land war durch die Besatzung im Ersten
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