Die Frau aus Flandern - eine Liebe im Dritten Reich
war das noch immer nicht. Renée bespricht mit Ady eine Möglichkeit, Pakete zu schicken, »my girl-friend from Leuven has written for a ›license‹ to send packages to Germany.« Und sie informiert Ady, sie habe an die Caritas in der Schweiz geschrieben. Ady und Jupp erhalten daraufhin tatsächlich mehr als einmal Care-Pakete. Nicht alle hießen so und nicht alle kamen aus den USA. Manche hießen »Liebesgabenpakete« und wurden von Hilfsorganisationenin neutralen Ländern wie Dänemark verschickt. In Adys Koffer fand ich einige Zettel, die solchen »Liebesgabenpaketen« beilagen.
Jupp mit seinem ersten Motorrad nach dem Krieg, Oktober 1948.
Aus Renées Briefen ist herauszuhören, dass sich das Leben in Antwerpen allmählich normalisierte, wenn auch manche Dinge noch immer nicht zu bekommen oder zu teuer waren, sie beklagt sich mehr als einmal über die Preise für Nylons. Eine Laufmasche reparieren zu lassen koste gleich soviel wie ein paar neue.
Am 2. Januar 1947 schreibt sie:
Vielen Dank für Euren Brief vom 18.12. und die Weihnachtskarten. Wie habt ihr Weihnachten und Silvester verbracht? Wir hatten schöne Tage, vielleicht war es zu viel. Nach Weihnachten kamen wir morgens um 7 nach hause. Es war eine schöne Party. Jetzt nach Silvester war es auch acht Uhr. Wir haben bis zwei geschlafen und um vier am Nachmittag waren wir schon wieder bei Freunden und haben auf das Schicksal und das Glück, von dem wir hoffen, es 1948 zu haben, angestoßen. Heute früh beim Aufwachen waren wir so kläglich an zuschauen . Wir mussten zur Tram rennen. Deswegen habe ich heute keinen Kater mehr.
Insgesamt klingen die Briefe nach Leben, nach Aufbruch, nicht nach der Schwere, die Nachkriegsdeutschland in vielen Bereichen noch immer niederdrückt und die auch Ady spürt.
Die Briefe wechseln wild die Sprachen, englisch, französisch, deutsch, später viel flämisch. Adys Briefe sind nicht erhalten – oder für immer in den Schrankungetümen in Renées Wohnung verloren. Renée schrieb ihrer Freundin allein in den Jahren 1947 bis 52 ganze 21 Briefe nach Bottrop, die wir kennen. Sie schreibt vom Wetter, von gemeinsamen Bekannten, zählt ihre Weihnachtsgeschenke auf – ein Manikür-Etui, ein Bügel-BH, ein Paar Nylons. Ein immer wieder auftauchendes Thema bleibt die schwierige Kleiderfrage und die Liebe. Renée beklagt sich im Januar 48, dass sie keine »amour« habe. »Ich glaube, das ist die Krankheit der Zeit. Die Welt ist so kaputt, es gibt einfach wenig gute Leute.«
Wiedersehen mit Maria
In der Familie von Jupp hält sich eine Geschichte, von der auch Renée gehört hatte. Maria wollte ihre Tochter unbedingt wiedersehen, doch Ady durfte nicht von Deutschland nach Belgien reisen, und auch umgekehrt war es nicht möglich. Doch Maria sehnt sich zu stark und sie erfährt von einer Möglichkeit: George, Adys früherer Freund Georgeke, soll ihr dabei helfen. George macht es tatsächlich irgendwie möglich und schleust Ady heimlich in einem Militärzug nach Antwerpen. Ady steigt in Aachen in diesen Zug, draußen wird sie bereits gesucht und über Lautsprecher aufgefordert auszusteigen. Sie versteckt sich und fährt heimlich mit. An jeder Station wird sie aufgefordert auszusteigen. Doch sie riskiert es – und bleibt einen Monat bei Maria in Antwerpen.
Jupp hat ihr damals geschrieben, voller Angst, ob sie wohl zurückkäme. Auch Ady wollte wieder zu ihm nach Hause. Maria war irritiert: »Aber du bist doch hier zuhause?!« Und Ady antwortete: »Aber du bist doch auch immer beim Papa geblieben. Und ich will bei meinem Jupp bleiben.« So hat es Ady später Renée erzählt.
Firmin war längst schon wieder bei Maria. Für uns bleibt Firmins Kriegszeit im Dunkeln. Ady hat nichts darüber aufgezeichnet und auch vom belgischen Militär, wo wir anfragten, konnten wir nichts über seinen Aufenthalt oder seine Verpflichtung während des Zweiten Weltkriegs erfahren. Auch von Maria hatte Ady nur wenige Fotos aus der Zeit während des Krieges – aber von Firmin existiert kein einziges. War er wieder Soldat, dann gab es diesmal diese Heldenfotos nicht wieder wie im ersten Krieg. Dieser Krieg war nicht danach. Das erste Lebenszeichen von ihm war die Unterschrift auf einem kleinen Briefchen an Netje gleich zu Kriegsende, als Maria sich auch im Namen von »Firm« um Ady sorgte.
Das erste eigene Geschäft, etwa 1948.
Das Nächste ist ein Foto, das Ady mit der Jahreszahl 1948 versah, da steht Firmin neben Maria vor dem Eingang zur
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