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Die Frau des Apothekers - Sandmann, C: Frau des Apothekers

Die Frau des Apothekers - Sandmann, C: Frau des Apothekers

Titel: Die Frau des Apothekers - Sandmann, C: Frau des Apothekers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Sandmann
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Laboratorium und zur Giftkammer. Im Zentrum stand ein S-förmig geschwungener Rezepturtisch, darauf die für alle
     Apothekerarbeiten unverzichtbare empfindliche Waage.
    Louise brauchte nicht lange zu suchen. Mit einem Handgriff förderte sie das sorgfältig versteckte Fläschchen zutage.Schon wollte sie den Inhalt in einen Glaskrug gießen, als ein Geräusch hinter ihrem Rücken sie aufmerken ließ.
    Da, vor dem raumhohen Spiegel, stand Raoul in seinem Nachthemd und seiner langzipfeligen Nachtmütze, und obwohl es in der
     Offizin fast völlig finster war, sah sie genau, was er tat.
    Der Stift knirschte in seiner verkrampften Hand. Hinterließ im Dunkeln wie die Flamme eines Bunsenbrenners leuchtende Schriftzüge
     auf dem Glas. In ungelenken, kindischen Umrissen kritzelten die krummen Finger eine Gestalt auf das Spiegelglas, die in einer
     Hand ein Fläschchen hielt und sich mit der anderen entsetzt an den Hals griff. Die Augen waren eiförmig und tiefschwarz, der
     Mund ein erschrockenes, kohlschwarzes »O«. Zuletzt schrieb die Hand wieder Buchstaben, schrieb den Höhepunkt seiner Wut und
     Verzweiflung nieder auf dem bauchigen Fläschchen: VENEFICIUM.   Raoul wandte sich zu ihr um, und im grünlichen Glanz der Schriftzüge trug sein Gesicht einen furchtbaren Ausdruck des Vorwurfs
     gegen seine Mörderin.
    Louise fuhr mit einem keuchenden Aufschrei aus dem Schlaf hoch und starrte verwirrt in die Finsternis, die sie umgab.

2
    Ihr Herz raste, das Blut rauschte ihr in den Ohren wie ein Wasserfall. Schweiß bedeckte von Kopf bis Fuß ihren Körper. Verwirrt
     von dem entsetzlichen Traum setzte sie sich auf, bargdas Gesicht in den Händen und versuchte sich zu sammeln. Nur langsam wich das Grauen, das sie gepackt hatte, und die Erinnerung
     wurde klar. Nein, sie hatte ihren Mann nicht umgebracht. All die Vorwürfe wurden nur aus Neid und Bosheit erhoben. Was konnte
     sie denn dafür, dass ein so drastischer Altersunterschied zwischen ihr und Raoul bestanden hatte? Es war seine Idee gewesen
     zu heiraten, nicht ihre. War sie ihm nicht immer eine gute Frau gewesen und er ihr ein guter Gatte, auch wenn sie manches
     an ihm vermisst hatte? Was konnte sie denn dafür, dass er krank und unausstehlich geworden war?
    Sie atmete tief und erleichtert durch. Kein Wunder, dass sie Albträume hatte, nach all den Schrecken, die Raouls gewaltsames
     und grausames Ende mit sich gebracht hatte. Aber es war nur ein Traum gewesen. Keine Blutschuld lastete auf ihrem Gewissen.
     Auch wenn sie in ihrem Jammer ausgerufen hatte, sie wünschte, er wäre tot – sie hatte nichts beigetragen zu seinem elenden
     Ende. Mit Schaudern erinnerte sie sich an die Zeichnung, die er auf dem Spiegel im Badezimmer hinterlassen hatte, seinen Abschiedsbrief,
     seine Anklage: Veneficium   – Giftmischerei.
    Mit einem tiefen Atemzug sank sie zurück auf ihr Kissen. Alles war gut. Raoul war tot, aber sie war nicht schuld daran.
    Die Kälte des Raumes drang ihr bis ins Mark. Es war dunkel, nur hoch oben an der Decke war ein trüber Lichtfleck zu sehen,
     von einer draußen angebrachten Lampe. Das Gitter in der Türöffnung durchschnitt ihn kreuz und quer mit schwarzen Strichen.
    Sie war nicht zu Hause in ihrem Schlafzimmer im Löwenhaus am Jungfernstieg. Sie befand sich im Untersuchungsgefängnis am Holstenglacis
     unter der Anklage, ihren Mann vergiftet zu haben. Nicht mehr die Frau des angesehenen Apothekers,sondern eine Gefangene unter vielen. Eingesperrt mit Dirnen, Kindsmörderinnen, Diebinnen – und vielleicht auch anderen Frauen,
     denen man vorwarf, ihre reichen Männer ermordet zu haben, um sie zu beerben.
    Louise stöhnte laut und verzweifelt auf. Dies hier war kein Traumgebilde. Wenn sie die Hand ausstreckte, fühlte sie die flache
     Matratze, die raue Decke, die die Kälte der Zelle nicht von ihr fernhalten konnte. Sie erschien sich selbst als absurde Staffage,
     wie sie da in ihrem jadegrünen Kleid mit den vielen Raffungen und Volants auf der Pritsche lag, eine zierliche Puppe, die
     man aus ihrem Puppenhaus genommen und in eine feuchtkalte Gefängniszelle gesetzt hatte.
    Erinnerungen brachen über sie herein.
    Louise wäre gestürzt, hätte der Wachmann sie nicht gestützt. Ihr schwindelte. Die breite Esplanade des Jungfernstiegs verschwamm
     ihr vor den Augen, als der Wachmann sie aus dem Haus hinausführte. Das Geschrei, das sich bei ihrem Erscheinen erhob, nahm
     sie kaum wahr. Stumm schritt sie durch die stoßende und schimpfende Menge

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