Die Frau des Diplomaten (German Edition)
ein paar Stunden dauern. Major Clark hat Befehl erteilt, dass wir hier das Nachtlager aufschlagen und bei Morgengrauen nach Paris aufbrechen.“ Paul reist also doch noch nicht ab. Mit einem Mal verspüre ich so etwas wie Euphorie. Der andere Soldat redet weiter: „Er sagt, wenn wir wollen, können wir den Jeep nehmen und nach Salzburg fahren, um uns dort umzusehen und Lebensmittel zu beschaffen.“
„Ich könnte einen Drink gebr…“, fängt Paul an, unterbricht sich aber gleich wieder. „Möchten Sie mitkommen?“, fragt er mich stattdessen.
Ich zögere verblüfft. Paul hat mich gefragt, ob ich ihn in die Stadt begleite. Ich spüre leichte Panik in mir aufsteigen, bis mir einfällt, dass ohnehin keiner von uns das Gelände verlassen darf. „Ich kann nicht.“
Paul sieht zwischen dem Soldaten und mir hin und her. „Lass mir noch eine Minute, okay, Drew?“ Der Mann zuckt mit den Schultern und geht davon. „Ich sollte mit meinen Kameraden mitfahren“, sagt Paul, als der andere außer Hörweite ist.
„Salzburg ist eine wirklich hübsche Stadt.“ Es fällt mir schwer, in einem neutralen Tonfall zu sprechen.
Er berührt meinen Ärmel. „Es war schön, Sie wiederzusehen, Marta. Ich bin froh, dass es Ihnen gut geht.“
„Leben Sie wohl“, entgegne ich, dann mache ich kehrt und überquere den Platz, während ich noch immer seine Berührung zu spüren glaube. Als ich seitlich um das Schloss herumgehe, brennen meine Augen. Was ist nur los mit mir? Ich sollte froh sein, dass er weg ist. Er war betrunken und so ganz anders als das, was ich von ihm in Erinnerung hatte. Ich laufe zu der Weide am Ufer, meinem liebsten Fleckchen am See. Dort angekommen, knie ich mich hin und betrachte mein Spiegelbild auf der Wasseroberfläche. Mein Ich mit den wilden Locken und der viel zu großen Brille starrt mir entgegen. Was hast du dir bloß gedacht?, will mein Spiegelbild wissen. Hast du etwa geglaubt, er würde hier bei dir bleiben? Ich nehme die Brille ab und wische mit dem Handrücken über meine Lider.
Plötzlich höre ich schwere Schritte hinter mir. Ich setze die Brille wieder auf und drehe mich um, da ich mit Dava rechne, die kommt, um mit mir zu schimpfen, weil ich so spät noch draußen bin. Aber abermals steht Paul vor mir, die Hände in den Taschen vergraben. Er trägt einen Rucksack, der mir zuvor gar nicht aufgefallen war. „Tut mir leid, dass ich mich schon wieder an Sie heranschleiche.“
Ich schlucke und kämpfe gegen den Kloß in meinem Hals an. „Wenn Sie wissen wollen, wie Sie in die Stadt kommen …“
„Nein, nein“, unterbricht er mich kopfschüttelnd. „Ich habe mich dagegen entschieden.“
„Tatsächlich?“
„Ich bin eigentlich sehr müde, und der Jeep war für meinen Geschmack etwas zu voll.“ Er macht noch einen Schritt auf mich zu. „Hätten Sie was dagegen, wenn ich Ihnen ein wenig Gesellschaft leiste?“ Ehe ich darauf antworten kann, lässt er sich neben mir nieder. „Es ist wirklich wunderschön hier.“ Ich bin zu verblüfft, um etwas zu erwidern. Er ist also doch nicht mit den anderen mitgefahren. Wir betrachten die Berge, ohne ein Wort zu sagen. Aus dem Augenwinkel mustere ich Pauls gebräunten, muskulösen Unterarm. Leises Verlangen erwacht in mir.
Er dreht sich zu mir um, und ich sehe schnell wieder auf den See, während ich hoffe, dass er nicht bemerkt hat, wie ich ihn beobachte. „Ich würde gern einen Spaziergang machen, bevor es zu dunkel wird“, erklärt er und deutet auf den Trampelpfad zu unserer Rechten, der am Seeufer entlang verläuft. Ich bekomme einen Schreck. Schon wieder will er mich verlassen. Aber … er sieht mich erwartungsvoll an. „Würden Sie mich begleiten?“
Seine Frage kommt so unverhofft, dass ich keine Antwort weiß. Ein Spaziergang? Nur wir beide? Das hört sich zu schön an. Aber der Pfad verlässt das Gebiet, auf dem ich mich bewegen darf. Außerdem kenne ich Paul kaum. Es wäre wohl alles andere als angemessen, um diese Zeit allein mit ihm zu sein, zumal er gerade noch nach Alkohol gerochen hat. Seine Augen wirken jetzt allerdings klarer, und er sieht wieder aus wie der Mann aus meinen Erinnerungen. Außerdem ertrage ich den Gedanken nicht, dass er ein weiteres Mal aus meinem Leben verschwinden könnte. Ich muss eine Möglichkeit finden, ihn auf diesen Spaziergang zu begleiten. „Warten Sie hier auf mich.“
Ich stehe auf und laufe zurück zum Schloss, um nach Dava zu suchen. Das Foyer ist menschenleer, also haste ich weiter zur
Weitere Kostenlose Bücher