Die Frau des Diplomaten (German Edition)
hilft, ist krank geworden. Würdest du einspringen?“
„Natürlich“, erwidere ich freudig. Ich habe beobachtet, dass einige ehemalige Patienten in der Küche und in den Gärten mithelfen. Wiederholt habe ich auch meine Hilfe angeboten, aber Dava lehnte jedes Mal ab mit der Begründung, dass Patienten von der Station keine Arbeiten übernehmen dürfen. Das sei erst möglich, wenn ich in einem der Zelte leben würde. Sie scheinen wirklich jede Hilfe zu brauchen, wenn sie sich über diese Vorschrift hinwegsetzt.
„Gut. Die Transporte werden jeden Moment eintreffen. Geh einfach auf die hintere Seite des Schlosses, da, wo die Tische der Verwaltung sind. Dr. Verrier wird dir erklären, was du zu tun hast.“
„Kein Problem.“ Ich sehe Rose an. „Schlaf gut.“
Während Dava Rose ins Haus bringt, gehe ich um das Schloss herum. Mehrere Armeelastwagen sind mit dröhnenden Motoren von der Hauptstraße in die Einfahrt eingebogen und parken jetzt zu beiden Seiten des unbefestigten Weges auf der Rasenfläche. Soldaten klettern von den Ladeflächen, öffnen die Heckklappen und helfen den ehemaligen Häftlingen beim Absteigen. Einer nach dem anderen werden ausgemergelte Männer und Frauen zu Boden geleitet. Die meisten tragen noch ihre gestreifte Lagerkleidung, und viele müssen von den Soldaten gestützt werden, weil sie zu geschwächt sind, um aus eigener Kraft zu stehen oder gar zu gehen. Habe ich auch so ausgesehen, als ich vor ein paar Monaten herkam?
„Entschuldigen Sie“, ruft ein Mann auf Deutsch. Ich zwinge mich, den Blick von den Ankömmlingen abzuwenden. Ein dunkelhaariger Mann mit Brille und einem weißen Kittel steht ein paar Meter von mir entfernt an einem Klapptisch. Er ist keiner der Ärzte, die mich behandelt haben, aber ich kenne ihn von der Station. „Sie sind die Helferin?“
„Ja.“ Ich gehe auf ihn zu und setze mich auf den Klappstuhl, auf den er zeigt.
„Ihre Aufgabe ist es, die Angaben jeder Person bei deren Eintreffen zu überprüfen – Name, Nationalität, Geburtsdatum. Danach werde ich Ihnen sagen, wer von ihnen zur Krankenstation geschickt wird und wer ins allgemeine Auffanglager. Haben Sie das verstanden?“ Ich nicke und werfe einen Blick auf die lange Schlange ehemaliger KZ-Insassen, die sich dem Tisch nähert. Jeder von ihnen sieht so aus, als müsse er medizinisch behandelt werden, und ich frage mich, ob es überhaupt genügend Betten für die Hälfte von ihnen gibt.
Ich atme tief durch, dann wende ich mich dem ersten Neuankömmling zu. „Name?“, frage ich.
Der große, hagere Mann zögert, ein panischer Ausdruck huscht über sein Gesicht. Dann fällt mein Blick auf eine Zahlenfolge auf seinem Unterarm. Obwohl ich davon verschont geblieben bin, weiß ich, dass die Deutschen den KZ-Häftlingen Nummern eintätowiert haben. Dieser Mann hat sich so sehr daran gewöhnt, nur noch eine Nummer zu sein, dass er gar nicht weiß, wie er antworten soll. Ich beginne von vorn und lächle ihn an, während ich auf Jiddisch frage: „Hallo, ich bin Marta Nederman. Wie heißen Sie?“
Er wird etwas ruhiger. „Friedrich Masaryk.“
Ich hake ihn auf der Liste ab. „Ungar. Geboren 18. November 1901. Stimmt das?“ Der Mann nickt. Er ist erst Mitte vierzig, aber sein schütteres weißes Haar und die gebeugte Haltung lassen ihn wie mindestens sechzig aussehen.
Dr. Verrier untersucht ihn. „Herr Masaryk, Sie sind unterernährt, aber davon abgesehen gesund genug, um in den Zelten untergebracht zu werden.“ Ich mache eine Notiz auf meiner Liste, während ein Soldat den Mann wegbringt.
Als Nächstes ist eine Frau an der Reihe, die von zwei Soldaten auf einer Trage zu uns gebracht wird. Ich blicke zu Dr. Verrier, doch der zuckt nur mit den Schultern. „Vorschrift. Auch die Bewusstlosen müssen registriert werden.“
„Lebonski, Hannah“, liest ein Soldat von der Stirn der Frau ab.
Ich gehe die Liste durch. „Der Name ist hier nicht aufgeführt.“ Noch einmal überfliege ich das Papier. „Hier sind überhaupt keine Frauen aufgelistet …“
„Gibt es eine zweite Liste?“, fragt Dr. Verrier.
„Verdammt!“, flucht der andere Soldat. „Mattie hat vergessen, uns die Liste aus dem Frauentrakt mitzugeben. Jim!“, ruft er über die Schulter einem Kameraden zu, der etwas entfernt bei den Lastwagen steht. Hinter ihm sehe ich, wie mehrere befreite Häftlinge zusammenzucken. Sie versetzt es immer noch in Panik, wenn sie einen Soldaten brüllen hören, auch wenn der ein Amerikaner ist.
Weitere Kostenlose Bücher