Die Frau des Diplomaten (German Edition)
Untersuchung nach Simons Tod hat bereits viele Antworten geliefert: wie die Kommunisten auf ihn aufmerksam wurden, als er noch ein Student in Cambridge war; wie ein Kommilitone ihn einlud, die Semesterferien mit ihm in Moskau zu verbringen. Ich konnte mir gut vorstellen, wie erfreut Simon auf die Aussicht reagierte, gemocht und gebraucht zu werden, war er doch nach dem Tod seines Vaters auf sich gestellt und benötigte dringend Geld. In Moskau legte er sich seine zweite Identität zu, die ihn zu Dmitri Borskin machte, und dort begegnete er auch Dava. Ein Diplomat, der ebenfalls heimlich für die Sowjets tätig war, verschaffte ihm dann den Posten im britischen Außenministerium.
Als ich das hörte, dachte ich an die anderen wichtigen Leute in unserer Abteilung – an Ebertson und Fitzwilliam, sogar an den stellvertretenden Minister – und stellte mir die Frage, wer von ihnen in Wahrheit ebenfalls ein Spion ist. Ich war voller Sorge, dass einer von ihnen sich an uns rächen würde. Doch Paul beruhigte mich, indem er beteuerte, dass die Sowjets mit Sicherheit kein weiteres Interesse an mir hätten. Dennoch war ich froh, bald das Land zu verlassen.
Wieder muss ich an Dava denken. Ihren Verrat kann ich am allerwenigsten nachvollziehen. Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie fürsorglich und nett sie damals in Salzburg gewesen ist. Und das soll alles nur Theater gewesen sein? Ich hasse sie für das, was sie Rose angetan hat, und ich möchte, dass sie dafür ins Gefängnis kommt und leidet. Ich werde ihr niemals vergeben. Und doch weiß ich, dass ich ohne Dava heute nicht hier wäre, so viel muss ich mir trotz allem eingestehen.
Ich sehe zu Paul und möchte mich am liebsten kneifen, um mich davon zu überzeugen, dass ich nicht träume. Wir haben so großes Glück gehabt! Die Stichwunde war nicht lebensgefährlich, allerdings war es durch den Kampf zu inneren Blutungen gekommen, die Verletzungen durch die alte Schusswunde waren noch nicht ausreichend verheilt. Ich hielt seine Hand fest, als sie ihn an diesem Abend in den Krankenwagen luden. Ich konnte ihn nicht loslassen, weil ich fürchtete, er könnte dann wieder verschwinden. „Komm mit mir in die Staaten“, bat er mich, als die Sanitäter uns trennten und die Wagentüren schlossen, um ihn ins Krankenhaus zu fahren. Genau diese Worte wiederholte er, als er am nächsten Tag nach der Operation erwachte.
Ich war unsicher. Mit Paul nach Amerika zu gehen, war ein Traum, den ich schon vor Jahren aufgegeben hatte. Aber was hielt mich noch in England? Nach allem, was geschehen war, konnte ich nicht auf meinen bisherigen Arbeitsplatz zurück. Und mit Simons Haus verband ich nur unfreundliche Erinnerungen. Natürlich war da noch Delia, aber sie wollte ebenfalls eine Veränderung: Sie wollte Charles heiraten und sich mit ihm in Südfrankreich niederlassen. „Das Leben ist zu kurz“, sagte sie, und damit hatte sie recht. An jenem Abend versprach ich Paul, ihn in die Staaten zu begleiten. Wir blieben nur lange genug in London, um alles Notwendige zu regeln. Ich ließ das Haus durch einen Makler verkaufen, und Paul kümmerte sich um die Visa für Rachel und mich. Wenige Wochen später waren wir bereit für die Abreise.
Zuvor schrieb ich Emma einen Brief, in dem ich ihr schilderte, was sich ereignet hatte. Außerdem gab ich ihr Pauls Adresse in den Staaten an. Ich frage mich, ob sie mir antworten wird.
„Und? Bist du glücklich?“, fragt Paul und holt mich aus meinen Gedanken. Den Blick weiter aufs Meer gerichtet, zögere ich, denn nach allem, was geschehen ist, habe ich immer noch Angst, dass sich alles wieder in Luft auflösen könnte. Trotzdem nicke ich. „Ich habe da etwas für dich“, sagt er.
Ich drehe mich zu ihm um, der Wind weht mir die Haare ins Gesicht. „Was denn?“ Er greift in seine Manteltasche und zieht eine Schachtel hervor, dann kniet er vor mir nieder. Mir stockt der Atem. „Machst du mir einen Heiratsantrag?“
Er nickt. „Mein zweiter Anlauf.“ Dann öffnet er die Schachtel, zum Vorschein kommt ein Weißgoldring mit einem einzelnen gefassten Diamanten.
„Der ist wunderschön“, beteuere ich, halte dann aber seine Erkennungsmarken hoch, die ich um den Hals trage. „Aber die genügen mir eigentlich.“
„Du hättest schon damals einen Ring bekommen sollen“, meint er lächelnd. „Also, sagst du Ja?“
Lachend entgegne ich: „Es kommt mir so vor, als wären wir längst verheiratet.“
„Mir auch. Aber ich finde, wir sollten es
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