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Die Frau des Diplomaten (German Edition)

Die Frau des Diplomaten (German Edition)

Titel: Die Frau des Diplomaten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pam Jenoff
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Untersberg. „Trotzdem ist es ein herrliches Stück Land, auf dem wir leben.“ Er kommt mir auf dem Trampelpfad zu nahe und berührt versehentlich meinen Arm. „Oh, Entschuldigung.“
    Ich verspüre Enttäuschung, als er wieder Abstand gewinnt. „Ich komme auch vom Land“, sage ich, weil es mir gefällt, eine Gemeinsamkeit zu haben.
    Er sieht mich an. „Tatsächlich?“
    „Ja. Unser Dorf heißt Bochnia. Es liegt nahe der Tatra …“ Ich halte mitten im Satz inne, da ich Stimmen höre. Auf dem Weg kommen uns ein paar Jugendliche entgegen, die ausgelassen lachen und scherzen. Mein Magen verkrampft sich.
    Paul bemerkt meine Reaktion. „Was ist?“ Schweigend deute ich auf die Jugendlichen. „Sollen wir umkehren?“
    „Nein“, entgegne ich hastig. „Es ist nur so, dass ich …“ Ich gerate ins Stocken, ein Schauder durchfährt mich. Von den Leuten aus dem Auffanglager einmal abgesehen, bin ich seit meiner Ankunft noch so gut wie keinem Menschen begegnet. Wenn man sich die ganze Zeit nur auf dem Schlossgelände aufhält, vergisst man leicht, dass man sich mitten in Österreich befindet, einem Land, das sich den Nazis so bereitwillig angeschlossen hat. Und als ich jetzt diese Jugendlichen sehe, überkommt mich schreckliche Angst.
    „Ich verstehe. Warten Sie.“ Ehe ich etwas erwidern kann, geht Paul in die Richtung zurück, aus der wir gekommen sind, und lässt mich allein auf dem Trampelpfad stehen. Trotz meiner Panik fallen mir seine langen Beine und sein seltsam wiegender Gang auf. Er nähert sich dem Angler und deutet auf das Boot. Mir wird wieder klar, dass Paul kein Deutsch spricht, als ich sehe, wie der Mann irritiert den Kopf schüttelt. Paul greift in seine Hosentasche und übergibt dem Angler irgendetwas.
    Ich folge ihm langsam. „Was machen Sie denn da?“
    Paul zeigt auf das Boot. „Zu Ihren Diensten, Mylady.“
    „Ich verstehe nicht.“
    „Sie wollen doch nicht mit diesen frechen Kindern dort drüben zusammentreffen, richtig?“ Ich nicke. „Aber Sie wollen auch nicht umkehren. Also leihe ich das Boot dieses Mannes aus, notfalls auf unbestimmte Zeit.“ Der Angler schenkt uns keine Beachtung mehr, ich nehme an, dass Paul ihm Geld gegeben hat. „Bereit?“, fragt er und hält mir seine Hand hin.
    Ich bin unentschlossen, schließlich habe ich noch nie eine Bootsfahrt gemacht, und es ist bereits so gut wie dunkel. Aber die Jugendlichen haben uns beinahe erreicht, ihre Stimmen kommen immer näher. Ich strecke den Arm aus, und als sich Pauls Hand um meine Finger schließt, läuft mir ein wohliger Schauer über den Rücken. Er führt mich zum Ufer und hilft mir, ins Boot zu steigen, wo ich mich wenig elegant auf die hintere Holzbank fallen lasse. Das Gefährt schaukelt, als auch Paul einen Fuß ins Boot stellt und sich mit dem anderen vom Ufer abstößt. Er setzt sich mir gegenüber auf die mittlere Bank, dann beginnt er zu rudern. Wir entfernen uns vom Ufer, und ich werde allmählich ruhiger. Als ich mich umsehe, fällt mir auf, dass sich die Gaslaternen rings um den See wie riesige Glühwürmchen im Wasser spiegeln. Ich beobachte Paul, wie er über die Schulter schaut, um die Seemitte zu erreichen. Wieder steigt wohlige Wärme in mir auf.
    Während das Ufer hinter uns zurückfällt, werden auch die Stimmen der Jugendlichen leiser, und dann wird es ganz still. In einiger Entfernung kann ich das Zirpen einer Grille hören. Ich schlage nach einer Mücke, die dicht an meinem Ohr vorbeisurrt, dann sehe ich zum Schloss. Hinter allen Fenstern ist ein gelblicher Lichtschein zu sehen.
    „Einen Penny für Ihre Gedanken“, sagt Paul, woraufhin ich ihn ratlos ansehe. „Das ist eine Redewendung“, erläutert er mir. „Es soll so viel heißen wie: Woran denken Sie gerade?“
    „An meine Freundin Rose. Sie hat sich heute Abend nicht wohlgefühlt.“
    „Das tut mir leid.“ Er hört auf zu rudern. „So, das ist schon besser.“
    Er beugt sich vor, stützt das Kinn in seine Hände und betrachtet die Berge. Aus dem Augenwinkel mustere ich abermals seine Miene. Er ist tatsächlich hier bei mir, wird mir voller Unglauben bewusst. Auch vor dem Krieg gehörte ich nie zu den Mädchen, für die sich Jungs interessierten. Ich möchte so gern von ihm wissen, warum er jetzt mit mir in diesem Boot sitzt, doch stattdessen frage ich: „Wie lange sind Sie bereits in Europa?“
    „Seit über einem Jahr.“
    „Gefällt es Ihnen?“
    „Das hängt davon ab, was Sie meinen. Wenn Sie die Landschaft meinen, dann

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