Die Frau des Germanen
werde meine Tochter zurückholen, Fürst Aristan wird
sich seine Braut holen. Seine Krieger und meine dazu … Wollt Ihr es wirklich darauf ankommen lassen? Wir sind in der Überzahl.«
Inaja griff erschrocken nach Thusneldas Arm. »Will er wirklich Gewalt anwenden?«
»Wir wussten, dass wir damit rechnen müssen«, sagte Thusnelda. »Ich hoffe nur, dass nicht unschuldige Menschen dafür sterben
müssen, dass ich den Mann heiraten darf, den ich liebe.«
»Oder dass Ihr dafür sterben müsst«, fügte Inaja an.
Thusnelda ließ den Blick nicht von dem Geschehen vor den Toren der Teutoburg. Verzweifelt versuchte sie, Arminius mit ihren
Augen, ihrem leisen Flehen zu schützen. »Es ging nicht nur um meine Liebe«, raunte sie Inaja zu, »sondern auch um deine. Du
bist schwanger. Dein Kind braucht seinen Vater.«
Ehe Inaja etwas erwidern konnte, entstand in Thusneldas sorgenvollem Blick ein großes Staunen. »Er gibt auf«, flüsterte sie.
»Fürst Aristan gibt auf.«
Inaja sog scharf die Luft ein, Thordis’ Miene entspannte sich. »Allein wird Segestes es nicht wagen«, sagte Arminius’ Mutter
und atmete erleichtert auf.
|154| Tatsächlich hatte Fürst Aristan den Arm gehoben und seinen Männern damit das Zeichen zur Umkehr gegeben. Sogar auf die Entfernung
war zu erkennen, wie er sich stolz aufrichtete. Thusnelda konnte sich denken, was in ihm vorging. Eine Frau, die sich ihm
verweigerte, wollte er nicht. Eine Frau, die von einem anderen geliebt wurde, die womöglich bereits von ihm berührt und geküsst
worden war, wollte er erst recht nicht. Er war zu stolz, um eine Frau zu zwingen. Liebe erwartete er wohl nicht, aber Ergebenheit
und Treue verlangte er ganz selbstverständlich. Eine Frau, die die Liebe vor der Ehe kennengelernt hatte, kam für ihn nicht
mehr in Frage. Anscheinend hatte er Arminius’ Worte hören können.
Segestes wurde erst auf das Geschehen in seinem Rücken aufmerksam, als seine Männer unruhig mit den Füßen scharrten. Ungläubig
starrte er Fürst Aristan nach, der mit seinem Gefolge gemächlich in die untergehende Sonne ritt. Weg von der Eresburg …
»Das werdet Ihr mir büßen, Arminius«, stieß Segestes hervor und hob sein Schwert.
Thusnelda schrie leise auf und klammerte sich an Thordis’ Arm, aber Arminius blieb stehen, als wollte er sich lieber töten
als zwingen lassen, Thusnelda herauszugeben. Und so zornig Fürst Segestes auch war, sein Ehrgefühl ließ es nicht zu, auf einen
Mann loszugehen, der unbewaffnet war.
»Ihr werdet in mir einen lebenslangen Feind haben«, stieß er hervor.
Damit sprang er auf sein Pferd. Bevor er die Zügel ergriff, flog sein Blick zu seiner Tochter hoch. Voller Hass war er und
voller Verachtung.
Thusnelda erschrak. Noch nie hatte ihr Vater sie so angesehen. Seinen Zorn hatte sie erwartet und auch Trauer und Enttäuschung.
Aber Hass? Sie spürte, wie ihr die Tränen in die Augen stiegen. Hastig wandte sie sich ab und ging ins Haus, um nicht sehen
zu müssen, wie ihr Vater aus ihrem Leben verschwand.
|155| Inaja folgte ihr bald. Sie fand Thusnelda in der Nähe des Küchenfeuers, das herabgebrannt war, weil sich niemand darum gekümmert
hatte. Auch die Küchenmagd hatte sich vor dem Hause aufgehalten und das Geschehen am Fuß der Teutoburg verfolgt. Sämtliche
Burgbewohner hatten zugesehen, wie Fürst Segestes den Streit um seine Tochter verlor.
»Er hat nicht gekämpft«, flüsterte Inaja, als sie Thusnelda am kalten Feuer stehen sah.
»Er ist zu stolz«, flüsterte Thusnelda zurück. Sie griff zu einem Schürhaken, beugte sich über das Küchenfeuer und stocherte
nachdenklich darin herum, so lange, bis ein winziger roter Schimmer in der Asche entstand. »Ich hoffe trotzdem auf eine Versöhnung.«
Mit diesen Worten richtete sie sich auf. Inaja sah, dass sie viel Kraft hatte aufbringen müssen für diesen Satz. Ihr Vater
hatte Arminius lebenslange Feindschaft angekündigt, anscheinend begriff Thusnelda erst in diesem Augenblick, dass es nicht
nur um die ungehorsame Tochter ging, sondern auch und vor allem um den Nachfolger Segimers auf dem Fürstenthron.
»Ihr werdet hier glücklich werden«, sagte Inaja unbeholfen und konnte doch an nichts anderes denken als an ihr eigenes Glück.
Ja, sie war so glücklich wie noch nie zuvor in ihrem Leben. Keinen Tag länger als nötig hatte sie gewartet, um Hermut von
ihrer Schwangerschaft zu erzählen. Sie wusste ja, dass Eile geboten war, dass Fürst
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