Die Frau des Germanen
ist. Sie dürfen kein Risiko
eingehen.«
Aber Inaja war nicht zu beruhigen. Doch als sie fragte: »Was soll aus uns werden, wenn sie nicht kommen?«, verlor Hermut |149| seine Geduld. »Ich verstehe deine Frage nicht. Wir haben unser eigenes Leben.«
Inaja sah ihn an, als verstünde sie kein Wort.
»Unser eigenes Leben«, wiederholte Hermut unsicher und war drauf und dran, es noch einmal zu sagen. Immer und immer wieder.
Doch Inaja ließ es nicht zu. Sie biss sich auf die Lippen und starrte weiter dem Wald entgegen.
Segestes und seine Männer erschienen noch vor Sonnenuntergang vor der Teutoburg. Dort war vorsichtshalber aufgerüstet worden.
Die Wachen auf der Burgmauer waren bewaffnet, das Tor war gesichert, die Wärter dahinter trugen Lanzen und Schilde.
Als Arminius und Thusnelda in tiefer Dunkelheit endlich vor der Teutoburg erschienen waren, hatte das Tor noch weit offen
gestanden. Dankbar hatte Thusnelda es betrachtet und war dann hindurchgeschritten in der Hoffnung, willkommen zu sein. Glücklich,
sehr glücklich war sie gewesen. Vorbei die Angst! Klef hatte sich im letzten Augenblick entschieden, sein Leben nicht zu riskieren,
hatte sich rückwärts durch Gebüsch gedrückt und war schließlich, so schnell er konnte, zu seinem Pferd gelaufen. Schon bald
hatten sie ihn rufen hören: »Sie sind durch den Wald geritten! Am anderen Ende wieder heraus!«
Dann hatten sie die dunklen Schläge der Pferdehufe gehört, hatten ihnen nachgelauscht und waren still in ihrem Versteck hocken
geblieben, als das Geräusch verklungen war.
Weil Arminius kein Risiko eingehen wollte, hatten sie sogar gewartet, bis die Reiter unverrichteter Dinge zurückkehrten. Kurz
vor Sonnenuntergang war das gewesen. Der Rhythmus der Hufe war langsam und schwerfällig gewesen, die Stimmen der Männer ärgerlich
und deprimiert. Aber erst als die Dunkelheit hereingebrochen war, hatten Thusnelda und Arminius ihr Versteck verlassen. Vorsichtig
waren sie aus dem Wald herausgetreten und dann, als sie sicher sein konnten, dass die Wachen auf |150| den Mauern der Eresburg sie nicht mehr erspähen würden, hatten sie sich auf ihre Pferde geschwungen und waren zur Teutoburg
geritten.
Thusnelda war nicht einverstanden mit der Bewaffnung von Arminius’ Männern. »Mein Vater würde dich niemals angreifen«, beteuerte
sie. »Er wird einsehen, dass du der Richtige für mich bist und nicht Fürst Aristan. Und er wird auch verstehen, dass uns nichts
anderes übrig blieb, als zu fliehen. Morgen wäre es zu spät gewesen.«
Arminius sah sie nur nachdenklich an und antwortete nicht. Er griff nach seinem Kurzschwert und legte es Thusnelda zu Füßen,
dann erst sprach er wieder: »Ich werde unbewaffnet bleiben. Aber versprich mir, dich zu verteidigen, wenn es nötig sein sollte.«
Thusnelda schüttelte den Kopf. »Mich gegen meinen Vater verteidigen? Niemals!«
Arminius wollte etwas erwidern, unterließ es dann aber, als er sah, dass Inaja das Schwert sehr genau betrachtete. Beruhigt
wandte er sich ab. Die Dienstmagd würde für Thusneldas Sicherheit sorgen, wenn es zum Äußersten kam.
Er winkte Hermut herbei und sprach leise mit ihm, damit Thusnelda ihn nicht hörte. Aber sie nahm den Sinn seiner Worte dennoch
auf. Hermut sollte sich in Arminius’ Nähe aufhalten und ihm notfalls beistehen.
Thusnelda presste die Lippen zusammen. Wie würde ihr Vater reagieren, wenn er merkte, dass man in der Teutoburg mit einem
Angriff rechnete? Segestes war der Vater der Braut, ob es sich nun um Aristans oder um Arminius’ Braut handelte. Wie schwer
würde die Kränkung wiegen, wenn er mit guten Absichten gekommen war?
Sie stand neben dem Haus Fürst Segimers, das nun das Haus Arminius’ war. Es erhob sich auf dem höchsten Punkt der Teutoburg,
von dort konnte sie die ganze Umgebung überblicken. Die Wälder waren dicht, aber niedrig, die Lichtungen darin leicht zu erkennen.
Wer sich der Teutoburg näherte, wurde schon bald gesehen, und dem Blick der Wächter entging es |151| nicht, wenn sich ein Reiter sehr sicher an den Sümpfen entlangbewegte. Wer so auf die Teutoburg zukam, kannte sich aus, war
in dieser Gegend zu Hause. Segestes wurde demnach schon erkannt, kurz nachdem seine Gestalt sichtbar geworden war.
Thusnelda sah von ihrem Platz aus nicht nur ihren Vater mit seinen Männern, sondern auch Fürst Aristan und sein Gefolge. Sie
hielten sich abseits, als wollten sie sich nicht einmischen, aber sofort zur
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