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Die Frau des Germanen

Die Frau des Germanen

Titel: Die Frau des Germanen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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Antwort.
    »Gib mir einen Spiegel!«
    Mit zitternder Hand reichte Terentilla ihr den Spiegel und war erleichtert, als ihre Herrin nichts zu beanstanden hatte. Was
     für ein Glück, dass sie erst vor einer Stunde Severinas Haare gebürstet, am Hinterkopf aufgesteckt und mit vielen Bändern
     verziert hatte, die aus dem Stoff der weißen Tunika genäht worden waren, die Severina heute trug. Ein paar dunkle Löckchen
     kringelten sich über ihrer Stirn, was sie jung und zart erscheinen ließ.
    »Hol purpurfarbenen Puder«, befahl Severina, »und Glimmer, damit meine Haut nicht so stumpf ist.«
    Terentilla beeilte sich, die Anweisungen ihrer Herrin zu erfüllen. Schon wenige Augenblicke später tupfte sie auf Severinas
     Wangen den rosigen Puder, der aus der Lackmusflechte gewonnen wurde, und gab darüber den Staub eines graublauen Eisensteins,
     der, wenn er zermahlen worden war, der Gesichtshaut einen gesunden Schimmer verlieh.
    Ungeduldig fuhr Severina ihre Sklavin an: »Wo bleibt mein Parfümflakon? Muss man dir alles sagen? Gaviana hätte gewusst, dass
     ich ihn brauche. Ich glaube, ich werde sie zurückholen und stattdessen dich ins Bordell stecken!«
    Terentilla war den Tränen nahe, als sie ihrer Herrin den Flakon in Gestalt eines silbernen Fisches reichte, der Severina von
     Antonius Andecamus zum Geschenk gemacht worden war. Er hatte damit einen ausgezeichneten Geschmack bewiesen und war daher
     freundlich behandelt worden. Der Flakon war sogar zu Severinas Lieblingsstück geworden. Eigenhändig tupfte sie sich nun ein
     wenig Rosenöl an die Schläfen, dann lehnte sie sich zurück und wies Terentilla an, den Gast hereinzuführen.
    Flavus hatte nicht erwartet, mit großer Freundlichkeit empfangen zu werden, aber auf diesen Zorn in Severinas Augen war |161| er nicht gefasst gewesen. Auch Terentilla, der Severinas letzte Drohung noch in den Ohren klang, erschrak über das wütende
     Gesicht ihrer Herrin. Hatte sie schon wieder einen Fehler gemacht? Warum war Severina zunächst freudig erregt gewesen, als
     ihr der Besucher angekündigt worden war, und nun derart verärgert?
    Flavus verbeugte sich tief, und als er wieder in Severinas Gesicht blickte, hatte er zu seiner Sicherheit zurückgefunden.
     Mit einer Anmaßung, die Severina noch nie an ihm beobachtet hatte, sah er sie an. Severina hatte sich ihm immer überlegen
     gefühlt, wie den meisten Männern, die sie verehrten. Arminius war eine der wenigen Ausnahmen. Er war stark und unabhängig.
     Obwohl … Severina fragte sich in diesem Augenblick zum ersten Mal, ob sie sich Arminius deswegen unterlegen fühlte, weil er
     sie nicht verehrte, weil sein Interesse über diese eine Nacht nicht hinausgegangen war. War das möglich? Wer liebte, war schwach.
     War er stark, weil sie schwach war? So wie Flavus? Warum war in seinem Blick alles Hündische verschwunden, was in Severina
     bisher nur Verachtung erzeugt hatte? Mit Flavus war eine Veränderung vorgegangen, und eine innere Stimme warnte sie. Was immer
     ihn verwandelt hatte, es konnte etwas mit seinem Bruder zu tun haben. Besser also, sie verhielt sich abwartend.
    Während die Sklavinnen den Imbiss hereintrugen, beobachtete sie Flavus scharf. Und als ihr erster Eindruck sich bestätigte,
     entschloss sie sich, freundliche Worte an ihn zu richten und ihm zu versichern, wie sehr sie den Tod seines Vaters bedaure.
     »Ihr habt viel Zeit in Eurer Heimat verbringen müssen.«
    Flavus antwortete mit dem gebotenen Ernst, erklärte, wie wichtig es gewesen war, die Hinterlassenschaft seines Vaters neu
     zu ordnen, die Mutter zu trösten, ihr über den ersten Schmerz hinwegzuhelfen und dem Bruder zur Seite zu stehen, der nun zum
     Fürsten der Cherusker geworden war. »Er will dieser Aufgabe gerecht werden, obwohl sein Onkel bereit war, sie ihm abzunehmen.«
    Severina bat ihn, es sich bequem zu machen, und sah aus |162| zusammengekniffenen Augen zu, wie Flavus sich auf dem Liegesofa ausstreckte und sich eine gefüllte Dattel in den Mund schob.
     Bisher waren seine Bewegungen unter ihren Augen stets seltsam übertrieben gewesen, als wollte er nicht nur sein Äußeres, sondern
     sogar sein Tun schmücken, damit er ihr gefiel. Diesmal aber waren seine Bewegungen simpel und ohne Übertreibungen. Severina
     fühlte Unruhe in sich aufsteigen. Irgendetwas führte Flavus im Schilde. Es war, als wollte er mit gezinkten Würfeln spielen.
    Eigentlich wollte sie die Frage nicht stellen, aber sie konnte ihre Ungeduld einfach nicht

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