Die Frau des Germanen
Hilfe eilen, falls Segestes in Bedrängnis geraten
sollte. Inaja stand dicht neben Thusnelda, und auch Thordis, Arminius’ Mutter, stellte sich an ihre Seite. Sie hatte nicht
gutgeheißen, was ihr Sohn plante, als er aber nicht davon abzubringen gewesen war, hatte sie sich gefügt. Das Tor der Teutoburg
war geöffnet worden, als Arminius mit Thusnelda darauf zugeritten war, dafür hatte Thordis gesorgt. Obwohl sie nicht der Meinung
war, dass eine junge Frau sich den Bräutigam selber aussuchen durfte, und auch nicht glaubte, dass es die Liebe war, die zu
einer Ehe führen sollte, war sie auf Thusnelda zugegangen. Aber sie hatte sie nicht in ihre Arme geschlossen, wie sie es noch
getan hatte, als Thusnelda zu Fürst Segimers Beisetzung erschienen war. Thordis billigte die Entscheidung ihres Sohnes nicht,
daran ließ sie keinen Zweifel.
»Ich habe dich für eine gehorsame Tochter gehalten!«, hatte sie Thusnelda vorgehalten.
Die Tochter des Segestes hatte beschämt die Augen niedergeschlagen. »Ich will eine gehorsame Tochter sein«, hatte sie entgegnet,
»aber habe ich nicht auch ein Recht darauf, eine glückliche Frau zu werden? Hat dieses Recht nicht jeder Mensch?«
Arminius ging nun auf das Tor zu, Hermut dicht hinter sich, seine schwerbewaffneten Männer traten zur Seite. Ehe er öffnete,
drehte Arminius sich um und suchte ein letztes Mal Thusneldas Blick. Sie faltete die Hände vor der Brust und nickte ihm zu.
Ja, es war richtig, dass Arminius ihrem Vater unbewaffnet entgegentrat. Wenn er verzeihen sollte, was seine Tochter ihm antat,
dann nur, wenn er um sein Verzeihen gebeten wurde. Sie durften nichts verlangen, nur bitten.
|152| Das Tor öffnete sich knarrend. Arminius trat einen Schritt hinaus, hob die Hände und zeigte damit, dass er unbewaffnet war.
Die Wachen mit ihren Lanzen und Schilden waren angewiesen worden, erst hervorzutreten, wenn Segestes es wagen sollte, Arminius
anzugreifen oder die Burg zu stürmen. Er sollte, ohne sein Gesicht zu verlieren, der Entscheidung seiner Tochter zustimmen
können. Arminius wollte ihm zeigen, dass er Respekt vor ihm hatte. Er hoffte darauf, Segestes erklären zu können, dass er
zu diesem verzweifelten Mittel nur gegriffen hatte, weil keine Zeit gewesen war, Segestes zu bitten und zu überzeugen.
»Aristan wird meinem Vater schwere Vorwürfe machen«, flüsterte Thusnelda. »Er wird ihn einen Schwächling nennen, der sich
von seiner Tochter zum Narren halten lässt.«
»Nur dann, wenn er erfährt, dass alles mit Eurem Einverständnis geschah«, gab Inaja zurück.
Aber Thusnelda schüttelte den Kopf. »Wenn mein Vater glaubt, dass Arminius mich gegen meinen Willen geraubt hat, dann wird
alles noch schlimmer.«
Thordis warf ihr einen Blick zu, der Thusnelda schnell zum Schweigen brachte. »Du hast dich entschieden. Nun musst du die
Folgen tragen.«
Thusnelda schluckte, dann nickte sie. Arminius’ Mutter hatte recht, sie durfte sich nicht beklagen. Sie war es gewesen, die
sich entschieden hatte, keinen Mann zu heiraten, den sie nicht liebte. Sie war es gewesen, die das Wagnis eingegangen war,
sich gegen den Vater zu stellen und Arminius zu folgen. Also war auch sie es, die klaglos alles hinnehmen musste, was daraus
erwuchs.
Segestes blieb neben seinem Pferd stehen und kam Arminius nicht entgegen. Feindselig blickte er ihn an. »Gebt mir meine Tochter
zurück.«
Arminius reagierte freundlich und ruhig. »Thusnelda wird meine Frau. Ich bitte Euch hiermit um ihre Hand.«
Segestes wies mit dem Daumen über seine rechte Schulter zurück. »Thusneldas Hand ist bereits vergeben. Dort hinten |153| steht ihr Bräutigam. Morgen wird Thusnelda die Frau von Fürst Aristan. Ihr wisst, dass sie mit ihm verlobt ist.«
»Das allein ist der Grund, warum ich sie in meine Burg geholt habe«, gab Arminius zurück. »Es war keine Zeit für Verhandlungen.
Eure Tochter will einen Mann heiraten, den sie liebt. Sie will selbst entscheiden, welchem Mann sie folgt. Könnt Ihr das nicht
verstehen?«
Doch Segestes brachte dafür nicht das geringste Verständnis auf. »Wo kommen wir hin, wenn Töchter sich den Mann selber aussuchen?«,
antwortete er zornig. »Und wo kommen wir hin, wenn sogar Edelmänner sich eine Frau mit Gewalt holen? Gebt Thusnelda freiwillig
heraus, oder ich hole sie mir.«
»Ihr wollt meine Burg stürmen?«, fragte Arminius ungläubig.
»Wenn es sein muss.« Segestes wies noch einmal zurück. »Nicht nur ich
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