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Die Frau des Seiltaenzers

Die Frau des Seiltaenzers

Titel: Die Frau des Seiltaenzers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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komm!«
    Schweigend betraten sie die Abtei durch die verwaiste Pforte und nahmen den Weg hinüber zur Bibliothek. Vor einem Regal mit der Aufschrift ›Philosophia magica et occulta‹ stand ein verlottertes Lesepult. Darauf der Pergamentfetzen mit der Abschrift aus Riemenschneiders Werkstatt. Magdalena nahm das Pergament und hielt es dicht vor die Augen.
    »Du sagtest, dir sei etwas eingefallen!«
    »Ja«, erwiderte Magdalena, »die Neun Unsichtbaren geben sich untereinander mit einer Begrüßungsformel zu erkennen. Sie lautet: Satan Adama Tabat Amada Natas. Man kann die Worte, untereinander geschrieben, von links nach rechts, von oben nach unten, von unten nach oben und von rechts nach links lesen. Der Große Rudolfo beteuerte jedoch, die Formel habe keine Bedeutung außer jener, sich gegenseitig zu erkennen zu geben.«
    »Das hilft uns nicht weiter!« Schweinehirt gab sich enttäuscht.
    »Allerdings gibt es da noch eine weitere Formel, welche von den Unsichtbaren im Zusammenhang mit den ›Büchern der Weisheit‹ gebraucht wird.«
    »Und die lautet?«
    » Tacent libri suo loco – Die Bücher schweigen an ihrem Ort.«
    Schweinehirt musterte Magdalena lange und durchdringend, als habe er Mühe, einen Zornesausbruch zu unterdrücken. »Und das sagst du erst jetzt?«, knurrte er leise, aber mit drohendem Unterton. Dabei ließ er den Blick nicht von dem Schriftzug auf dem Pergament.
    Magdalena stutzte. Dann las sie stockend: » In aeternum tacent libri Johannis Trithemii suo loco – In alle Ewigkeit schweigen die Bücher des Johannes Trithemius an ihrem Ort. Das sind die ›Bücher der Weisheit‹!«, rief Magdalena aufgeregt.
    »Da könntest du recht haben«, bemerkte Schweinehirt ironisch. »Zweifellos sind das die Worte eines Mannes, der weiß, wo die Bücher verborgen sind. Wahrscheinlich hat er sie eigenhändig an einem neuen Ort versteckt, und mir scheint, als machte er sich lustig über alle, die danach suchen.«
    »Mir geht es nicht anders«, pflichtete Magdalena ihm bei. Sie stutzte und fuhr dann fort: »Aber was in aller Welt hat der Hinweis auf ›unseren Herrn und Kaiser Heinrich‹ zu bedeuten – dominus Caesar Henricus ?«
    »Das frage ich mich auch. Dem listigen Abt wäre sogar zuzutrauen, dass er mit der Erwähnung Kaiser Heinrichs nur eine falsche Fährte legen wollte. Welche Verbindung besteht zwischen Heinrich und den ›Büchern der Weisheit‹?«
    »Könnte Kaiser Heinrich einer der Neun Unsichtbaren gewesen sein?«, fragte Magdalena.
    Schweinehirt verzog das Gesicht: »Unmöglich ist das nicht. Aber welchen Zweck hätte Trithemius verfolgt, diesen Sachverhalt auf seinem Epitaph festzuhalten? Noch dazu auf rätselhafte Weise verschlüsselt? Nein, wir müssen bei unseren Nachforschungen irgendetwas übersehen haben.«
    Aus der Klosterkirche schallten die letzten Töne des Vespergebets herüber, und Schweinehirt mahnte zum Aufbruch. MagdalenasAnwesenheit hätte ihn in unnötige Schwierigkeiten gebracht. Morgen, zur gleichen Stunde, wollten sie sich vor der Klosterpforte treffen.
    Bis weit nach Mitternacht blieb Wendelin Schweinehirt in der Bibliothek, Folianten wälzend, auf der Suche nach Abkürzungen, wie sie in den Buchtiteln verwendet wurden. Aber je mehr er sich in seine Aufgabe vertiefte, desto weiter schien ihm die Lösung des Rätsels entfernt.
    Bevor er seine Kammer aufsuchte, begab er sich noch einmal in den hinteren Teil des Kreuzgangs zum Epitaph des Trithemius und richtete den Lichtstrahl seiner Laterne auf die Inschrift des aufgesetzten oberen Teils.
    Venerabilis.Patr.Dominus.Johannes.Trithemius.
    Schweinehirt wiederholte die Textzeile ein ums andere Mal: Der verehrungswürdige Vater, Herr Johannes Trithemius – eine Floskel wie auf tausend anderen Epitaphien.
    Dominus ! – wie ein Blitz traf ihn der Gedanke. Hektisch zog er den Pergamentfetzen hervor, auf dem er die ursprüngliche Inschrift notiert hatte:
    I.aet.ta.li.Johannis.Trithemii.s.loc.dom.Cae.Hen.
    » Dominus – Herr«, murmelte Schweinehirt und fügte hinzu: »Großgeschrieben.« Dann hielt er das Pergament ins Licht: » dom . – kleingeschrieben, wie domus !«
    Wie von Sinnen hetzte Schweinehirt den Kreuzgang entlang zur Pforte und eilte zum Gasthaus ›Zum Schwanen‹. Das Eingangstor war verschlossen, denn es ging auf den Morgen zu. Mit der Faust schlug Wendelin so lange gegen die Türe, bis der wohlbeleibte Wirt in einem leinenen Nachtgewand, eine Schlafhaube auf dem Kopf,erschien und sich mürrisch erkundigte, was

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